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Geheime Kommandosache Karstadt

Sechs Karstadt-Kaufhäuser in der City wurden am langen Sonnabend bestreikt  ■ Von Kai von Appen

Sechs zum Karstadt-Konzern gehörende Kaufhäuser wurden am Sonnabend von der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) gleichzeitig und ganztägig bestreikt. Die Aktionen richteten sich gegen die Karstadt-Filialen in Billstedt, Wandsbek, Altona und in der City. Der Schwerpunkt der Streiks lag beim Flaggschiff „Karstadt Mö“ und beim Alsterhaus am Jungfernstieg. Allein in diesen beiden Häusern legten 500 VerkäuferInnen die Arbeit nieder.

Die „Operation Karstadt“ war wie eine geheime Kommandosache vorbereitet worden. Nur wenige HBV-Sekretäre und -Betriebsräte waren in das Konzept eingeweiht worden, weil in der Vergangenheit immer wieder Streikaktionen vorher bekannt geworden waren. Und das Konzept ging auf: Als die Streikkommandos vor den Häusern aufzogen, wurden die Geschäftsleitungen völlig überrascht. „Die ganze Führungsriege ist nicht im Haus“, freute sich HBV-Sekretärin Brigitte Esser vor Karstadt Mö. Überraschung aber auch bei den Beschäftigten, die auf einen Streiktag gar nicht vorbereitet waren.

Erst langsam rappelte sich das Management von Karstadt Mö auf und versuchte – mit mäßigem Erfolg – MitarbeiterInnen zur Arbeitsaufnahme zu bewegen. Außer Atem und mit hochrotem Kopf erschien um viertel nach neun der alarmierte Personalleiter Gerhard Käse. „Nehmen Sie die Plakate ab“, fauchte er Esser an. „Sie haben uns schwer getroffen, jetzt wehren wir uns auch“, begründete er sein Verlangen. Die Plakate blieben.

Derweil zogen die Streikenden mit Trillerpfeifen, Rasseln und Stühlen vor die Eingänge. Erst mit zweistündiger Verspätung öffnete Karstadt Mö seine Pforten, nachdem Aushilfen als Streikbrecher mobilisiert worden waren. Das Alsterhaus machte erst mittags auf.

An der Streikfront wurde mit harten Bandagen gekämpft. „Kommen Sie in unser Haus“, forderte ein Manager wie ein Kiez-Türsteher den ganzen Tag die Passanten über Megaphon auf. „Sie werden aber nicht bedient“, konterten die Streikenden per Lautsprecher. „Heute können Sie in einer ruhigen Atmosphäre einkaufen. Das haben Sie noch nie erlebt“, erwiderte der Manager das Wortgefecht. Streikposten verteilten derweil Solidaritätsaufrufe und diskutierten mit Einkaufswilligen. HBV-Sprecher Jörg Reinbrecht zeigte sich zufrieden: „Das hat gesessen!“ Personalchef Käse mochte dies gegenüber der taz hamburg nicht bestreiten: „Ich rechne mit Umsatzeinbußen von 30 Prozent“, gestand er.

In dem Tarifkonflikt für die 70.000 Beschäftigten des Hamburger Einzelhandels geht es nicht mehr um das klassische Lohnerhöhungsritual. Der Forderung der Gewerkschaften nach 200 Mark mehr Lohn für alle halten die Einzelhändler das Verlangen nach einer neuen Lohnstruktur entgegen. Danach sollen die KassierInnen und die ungelernten VerkäuferInnen mit mehr als fünf Berufsjahren abgruppiert werden, was Lohneinbußen von 600 bis 800 Mark bedeuten würde.

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