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Die SPD krönt ihre Glatze

Der Landesparteitag am kommenden Wochenende soll nun endlich Schwung in den Wahlkampf der Berliner Genossen bringen. Bislang hat Kandidat Momper enttäuscht  ■ Von Ralph Bollmann

Das Vorbild ist die Leipziger „Krönungsmesse“ vor etwas mehr als einem Jahr. Einen solchen Parteitag hatte die deutsche Sozialdemokratie noch nicht gesehen: Eine Rede des Kanzlerkandidaten Gerhard Schröder, ein paar salbungsvolle Worte des Altkanzlers Schmidt, nur eine Stunde „Programmdebatte“. Dann durften Delegierte wie Journalisten ins Flugzeug steigen und die frohe Kunde vom Aufbruch in die Neue Mitte in alle Winkel des Landes tragen.

So stellt sich auch die Berliner SPD ihren Parteitag vor, mit dem sie am kommenden Samstag endlich in den Wahlkampf zur Landtagswahl am 10. Oktober starten will. Sechs Stunden nur sind für das Spektakel angesetzt. Die Antragskommission hat das Wahlprogramm vorsorglich von allen Konfliktpunkten gereinigt, und der Auftritt des Bundeskanzlers am Ende der Tagesordnung wird allen Programmdebatten ein natürliches Ende bereiten. Vor allem aber bietet die Versammlung dem Spitzenkandidaten Walter Momper das Forum, um mit einer großen Rede zum „Aufbruch 99“ zu blasen. „Wir werden einen Parteitag hinlegen, der auch äußerlich Professionalität signalisiert“, sagt SPD-Landeschef Peter Strieder.

Seit Wochen erhoffen sich die Genossen vom Parteitag jene Aufbruchstimmung, die sie im Wahlkampf bislang schmerzlich vermissen. Der Spitzenkandidat Walter Momper, Regierender Bürgermeister von 1989 bis 1990, hatte zwar zu Jahresbeginn die parteiinterne Kandidatenkür gegen den Fraktionsvorsitzenden Klaus Böger überraschend gewonnen. Seither aber hat Momper, im Einheitsjahr als Mann mit dem roten Schal zu Berühmtheit gelangt, an seinen alten Nimbus nicht anknüpfen können. Seit acht Jahren nicht mehr im politischen Geschäft, wirkt er bei öffentlichen Auftritten nicht selten wie ein mäßig informierter Stammtischagitator.

Schlagzeilen machte er bislang nur, als in einer Talkshow öffentlich wurde, daß er seine Putzfrau schwarz beschäftigte. In Umfragen erscheint Momper regelmäßig als einer der unbeliebtesten Landespolitiker, weit hinter dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU). Inzwischen glauben die Demoskopen sogar, daß die SPD ihre katastrophalen 23,6 Prozent von 1995 noch unterbieten könnten.

Trotzdem redet in der Partei niemand davon, den Kandidaten auszuwechseln. Dafür ist es schlicht zu spät. Die Parole für Samstag lautet: Geschlossenheit.

Selbst die fünf jungen Parteirebellen, die als „Quintett“ im Frühjahr gegen das Modernisierungsprogramm der vierköpfigen „Quadriga“ an der Parteispitze rebelliert hatten, halten sich daran. Fraktionsvize Christian Gaebler, noch vor wenigen Monaten strikt gegen die Pläne der SPD-Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing zur Privatisierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften, freut sich jetzt über die „klare Aussage“ im Wahlprogramm. Dort steht, daß die SPD einem Verkauf der Gesellschaften zustimmt – unter bestimmten Bedingungen.

Ohnehin haben die Modernisierer im Berliner Landesverband durch den neuen Bonner Sparkurs kräftig Auftrieb erhalten. Schließlich diente Fugmann-Heesing, die eiserne Lady der Berliner Finanzpolitik, einst als hessische Finanzministerin unter Hans Eichel. „Wir werden noch viel strenger an die Ausgaben herangehen müssen“, sagt jetzt sogar der Parteilinke Klaus-Uwe Benneter, der freilich auch „das Steueraufkommen gerechter verteilen“ will.

Ob die SPD als 20-Prozent-Partei allerdings an ihrem Ziel festhalten kann, die ungeliebte Koalition mit der CDU durch ein rot-grünes Bündnis abzulösen, erscheint immer mehr Genossen als zweifelhaft. Momper selbst beantwortet die Frage nach möglichen Koalitionen nur noch mit den vagen Worten, es werde „geliefert, was bestellt wurde“. Der Kreuzberger Bezirksvorsitzende Andreas Matthae mag auch den Weg in die Opposition nicht mehr ausschließen, „wenn wir abgestraft werden. Dann sollen sie halt Schwarz-Grün machen.“

Auf dem Parteitag werden solche Gedankenspiele keine Rolle spielen. „Wir werden das Wahlprogramm verabschieden“, sagt Parteisprecher Frank Zimmermann, „den Bundeskanzler hören und Geschlossenheit zeigen.“

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