: Freunde geben niemals auf
Christdemokrat Peter Voß sollte als Intendant des neuen Südwestrundfunks die CDU-Linie absichern. Nun haben sich die Förderer und ihr Protegé zerstritten ■ Von Wolfgang Messner
Im Südwesten der Republik ist eine echte Männerfreundschaft zerbrochen: Peter Voß und Günther Oettinger, der eine Intendant des Südwestrundfunks (SWR), der andere CDU-Fraktionsführer im Stuttgarter Landtag. Der frühere „heute-journal“-Moderator, ausgestattet mit christdemokratischem Parteibuch und Duzfreundschaften mit allerlei Parteigrößen, genoß Protektion: Erst durfte er Chef des Südwestfunks werden und nach der Fusion mit dem Süddeutschen Rundfunk erster Intendant des neuen SWR.
Der regierenden CDU versprach das Projekt mit Voß an der Spitze mehr Macht über den Rundfunk und mehr ARD-Gelder für den Boom der Medienwirtschaft im Südwesten. Oettinger half deshalb kräftig mit – zunächst im Hintergrund. Das hat, alles in allem, auch prima geklappt. Obwohl sich Voß intern schon etwas daran störte, als sich der selbsternannte Medienexperte Oettinger am Ende damit brüstete, wie er die neue Anstalt mit parteinahen Führungskräften auszustatten gedenke. Die Mannschaft von Oettingers Gnaden fand sich dann trotz Voßschen Grummelns vollzählig im Führungsteam des Intendanten.
Richtig in die Wolle bekamen sich die beiden aber erst Ende Juni. „Zu hausbacken, ohne Pep, bundesweit nicht attraktiv“, stelle sich Voß' Anstalt dar, resümierte Oettinger in der Stuttgarter Bild. Statt wie von Voß vorgegeben, müßten nicht 650 Stellen gestrichen werden, sondern 900. Zudem solle Voß endlich prüfen, ob er nicht mehr „outsourcen“ könne. Das hatte Oettinger in Focus gelesen, der wie bestellt zu ähnlichen Ergebnissen gekommen war.
Voß hielt es für an der Zeit, den unabhängigen Intendanten zu geben. „Als CDU-Mitglied“ schäme er sich „für die Oberflächlichkeit, mit der auch Leute, die es besser wissen, aus vordergründigen Motiven ständig am Sender herummäkeln“, formulierte er höchst aufschlußreich. Voß, Geschöpf der Stuttgarter CDU-Medienpolitik, war also beleidigt. Und Oettinger, eben zum Vorsitzenden des einflußreichen CDU-Bundesfachausschusses Medienpolitik gewählt, hatte sich erfolgreich profiliert.
Es war wohl ein grundsätzliches Mißverständnis, das zum Riß führte: Voß hatte das CDU-Personalpaket geschluckt, ebenso wie die Einschränkungen, die die Südwest-Union in der Konstruktion des SWR durchgedrückt hatte – kein anderer ARD-Sender muß solch offenen Staatseinfluß ertragen. Voß hatte zudem seine Rolle beim Hochpäppeln des Möchtegern-Medienstandorts Südwest. Nun versprach er sich freie Hand – auch gegenüber der privaten Konkurrenz. Eine Fehlkalkulation.
Anfang Mai hatte CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel höchstpersönlich die neue Anstalt gehörig abgewatscht. Anlaß war der Streit, ob in Baden-Württemberg neben einer beschlossenen privaten Jugendwelle der SWR sein Jugendprogramm „Das Ding“ senden darf. Der Regierungschef hatte den Privaten quasi in die Hand versprochen, daß sie die einzigen bleiben – ihnen zuliebe hatte man eine bundesweit einmalige Programmbeschränkung in den SWR-Staatsvertrag geschrieben, der zufolge der Sender nur vier Hörfunkwellen senden darf. Teufel blieb auch dabei, als sein Mainzer Amtskollege Kurt Beck (SPD) in seinem Land schon längst sein OK für „Das Ding“ gegeben hatte. Voß drohte, man könne ja das Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, wie es mit der Entwicklungsgarantie des SWR bestellt sei.
Kurz nach dem verbalen Schlagabtausch sollte auf einem Geheimtreffen zwischen Voß und Teufel der Riß noch einmal gekittet werden. Ein Waffenstillstand wurde verabredet. In der Stuttgarter Staatskanzlei hatte man festgestellt, daß die Regierung bei einer Klage in Karlsruhe wohl keine Chance hätte. Im Hintergrund versuchte derweil Staatsminister Christoph Palmer (CDU) einen Ausgleich zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privaten Interessen. Palmer (36) macht sich überhaupt gegenwärtig als „Medienminister“ einen Namen und ist damit dem angestammten Obermedienpolitiker Oettinger (45) ein Dorn im Auge. Der Zwist hat einen machtpolitischen Hintergrund: Beide wollen gerne Nachfolger von Erwin Teufel werden, der angekündigt hat, zur Landtagswahl 2001 nicht mehr anzutreten.
Anders als Oettinger, der großen Worten oft keine Taten folgen läßt, sucht Palmer die Nähe Teufels und arbeitet effizient im Hintergrund. Auch im Streit um die Jugendwellen fand der Jurist eine Lösung, die der Stuttgarter Landtag vergangenen Mittwoch absegnete: Die private Jugendwelle für rund sechs Millionen potentielle Hörer geht wie versprochen im Herbst auf Sendung. Im April 2000 dann darf der SWR „Das Ding“ werbefrei in den Ballungsräumen Stuttgart, Heidelberg, Karlsruhe, Heilbronn und Ulm senden – für zwei Millionen Hörer.
Freilich: Die peinliche Pleite für die Staatskanzlei und die CDU ist nicht wegzuleugnen. Das verbale Sperrfeuer gegen den Sender sowie Teufels Harnisch und das mit der Staatskanzlei nicht abgestimmte Oettinger-Solo sollten wohl auch davon ablenken und die verärgerten Spezeln bei den Privaten besänftigen. Während Oettinger sich Privatfunkern wie dem Radio-Regenbogen-Geschäftsführer Klaus Schunk freundschaftlich verbunden fühlt, hält Teufel es eher mit den Medienkonzernen. Dem Münchner Verleger Hubert Burda (Focus/Bunte) soll er einen Anteil von mindestens zehn Prozent an der privaten Jugendwelle versprochen haben, RTL ebenfalls. Den Rest teilen sich vor allem die angestammten Sender Radio Regenbogen, Antenne Stuttgart und Radio 7. Eigentlich trifft solche Entscheidungen nicht die Regierung, sondern die nominell unabhängige Medienanstalt LfK.
Das medienpolitische Kräftemessen hat fürs erste Intendant Voß gewonnen. Das Verhältnis des einstigen Protegés zu seinem Parteifreund Oettinger ist offenkundig nachhaltig gestört. „Voß ist eine Diva – da kann man nichts machen“, sagt ein Vertrauter des Landtagsfraktionschefs über den Senderchef, dessen Vertrag 2003 ausläuft. „Danach will der doch gar nicht mehr gewählt werden“, glaubt der Parteimann. Bis zur Landtagswahl 2001 kann sich Voß aber sicher sein, daß einigermaßen Ruhe ist. Beobachter glauben, daß Oettinger und Teufel schon deshalb den Burgfrieden mit Voß gesucht haben, um einer allzu regierungskritischen Berichterstattung bis dahin vorzubeugen.
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