piwik no script img

„Umut Köprüsü“ nach Izmit und Gölcück

■ Bremer Türken helfen Erdbebenopfern / „Brücke der Hoffnung“ organisiert Hilfe / Benötigte Zelte werden teurer / „Da wollen wohl einige mit der Not noch Geld verdienen“, vermuten viele

Seit Adnan Gönenc mit der „Brücke der Hoffnung“ zusammenarbeitet, steht er ständig unter Strom. „Ich glaube, schon vier Tage klingelt mein Handy ununterbrochen. Dauernd rufen Leute an und fragen mich, wie sie helfen können.“ Das Erdbeben in der Türkei hat den Gröpelinger wie die meisten Bremer erschüttert. Aber wie soll man von hier aus effektiv in den zerstörten Ortschaften Izmit oder Gölcück zu helfen?

Adnan hat über diese Frage lange nachgedacht und dann Andrea Frohmader von der „Brücke der Hoffnung“ angerufen. Die Bremer Hilfsorganisation soll die gut gemeinten Aktivitäten der hilfswilligen Bremer in konstruktive Bahnen lenken. Denn die Solidarität mit den Erdbebenopfern ist groß – besonders in der türkischen Gemeinde. Mehr als die Hälfte der Bremer Türken kommt aus der betroffenen Region zwischen Istanbul und Bursa und fast alle haben dort Verwandte.

Bewirkt hat die nun angelaufene Flut von Einzelhilfsaktionen aber bislang wenig. „Einige steigen mit einem Koffer voller Kleidung und Lebensmittel ins Flugzeug, andere fahren mit dem Auto“, sagt Adnan. „Wir wollten auch erst einen Laster vollpacken.“

Doch an den türkischen Grenzübergängen stauen sich derzeit Privat-Pkw und die Lastwagen der großen Hilfsorganisationen. Die Hilfsgüter stapeln sich. Und weil niemand da ist, um gespendete Kleidungsstücke zu verteilen, verrotten sie in Izmit tonnenweise unter freiem Himmel. Der Arbeitsstab Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt rät darum derzeit von Sachspenden ab.

Die „Brücke der Hoffnung“ sammelt also vor allem Geld. „In einer Woche wollen wir dann davon Zelte kaufen“, sagt Andrea Frohmader. Die werden zur Zeit im Erdbebengebiet am dringendsten gebraucht. „Leute wie mein Onkel erzählen am Telefon, dass sie kein Dach über dem Kopf haben“, sagt Adnan. „An Kleidung denkt im Moment keiner. Ich denke, so helfen wir am besten.“

Eine türkische Fluggesellschaft hat sich bereiterklärt, die Zelte nach Istambul zu bringen. Die Technische Betriebs- und Schiffsausrüstungs-Gesellschaft im Bremer Europahafen, ein langjähriger Partner der „Brücke“, stellt Lagerräume und Lieferkapazitäten zur Verfügung. In der Türkei wird die Deutsch-Türkische Gesundheitsstiftung aus Giessen die Verteilung der Zelte organisieren. „Wir selbst haben ja, anders als in Bosnien, keine eigenen Leute vor Ort“, erklärt Andrea Frohmader.

Marieluise Beck, Ausländerbeauftragte des Bundes und Gründungsmitglied der „Brücke“, ist froh, dass die Organisation ihr Know-how und ihre Kontakte dafür einsetzt, dass die Hilfe ankommt. „Das ist ein ganz wichtiges Signal.“

Ganz andere Signale senden derzeit dagegen einige Händler, erzählt Adnan. „Wenn meine Freunde sich privat erkundigen, stellen sie fest, dass die Zelte jeden Tag ein bisschen teuerer werden. Einige wollen wohl an der Not verdienen.“

Tatsächlich sind Steilwandzelte in ganz Deutschland knapp. Die Sommersaison ist zu Ende, die Lager von Händlern und Herstellern sind so gut wie leer. Deshalb ist unklar, ob die „Brücke“ die anvisierten hundert Zelte zusammen bekommen wird. „Aber wenn es keine gibt, besorgen wir eben Mobil-Toiletten“, sagt Andrea Frohmader pragmatisch. Denn die werden in Izmit fast genau so dringend gebraucht. L.R.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen