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Ex-Kommissar gibt sich unschuldig

■  Prozessbeginn gegen ehemaligen Polizeihauptkommissar, der einer Sicherheitsfirma für ein paar Reisespesen Aufträge im Wert von 1,3 Millionen Mark zugeschanzt haben soll

Gerüstet mit einem dicken Aktenordner und einem kampfentschlossenen Verteidiger trat der pensionierte Polizeihauptkommissar Dieter Sch. gestern vor den Kadi. Der 62-jährige muss sich wegen Bestechlichkeit und Betrugs verantworten. In seiner früheren Funktion als Gruppenleiter einer für Polizeiausrüstung zuständigen Berliner Dienststelle soll er von 1990 bis 1994 der Firma Sitek in Niedersachsen Aufträge im Wert von 1,3 Millionen Mark zugeschanzt haben.

Der Fall gehört zu einer bundesweiten Korruptionsaffäre, die Ende 94 aufgeflogen war. Wenig später hatte sich der Geschäftsführer der Firma für Sicherheitsausrüstung, Sitek, in Untersuchungshaft erhängt. Das Unternehmen soll Polizisten in mehreren Bundesländern mit Summen bis zu 500.000 Mark bestochen haben.

An solchen Beträgen gemessen handelt es sich in dem Berliner Fall um Peanuts. Flugtickets und Hotelübernachtungen im Gesamtwert von rund 3.000 Mark soll Dieter Sch. als Gegenleistung für die Vergabe des Millionengeschäfts bekommen haben. Außerdem soll er die von dem Unternehmen beglichenen Reisekosten bei der Polizei zum Teil als eigene, bei Geschäftsreisen angefallene Spesen abgerechnet haben.

Doch der Angeklagte bestreitet dies ebenso wie die übrigen Vorwürfe. Gleich zu Beginn des Prozesses ließ er durch seinen Anwalt ankündigen, dass er um einen Freispruch kämpfen werde. Denn der Ex-Polizeihauptkommissar sei überhaupt nicht für die Vergabe von Aufträgen zuständig gewesen. Als Ingenieur habe er das technische Gerät vielmehr auf seine Gebrauchsfähigkeit hin zu überprüfen gehabt. Der erste Zeuge, der früher Referatsleiter des Angeklagten war, bekundete allerdings das Gegenteil: „Selbstverständlich hat er als Gruppenleiter auch Beschaffungen durchgeführt.“

In der Anklageschrift heißt es, Dieter Sch. habe gegen die Weisung seiner Vorgesetzen gehandelt, indem er seine Mitarbeiter angewiesen habe, insgesamt 14 Aufträge mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Millonen Mark „freihändig und ohne Ausschreibung“ an Sitek zu vergeben. Ein großer Posten davon seien Schutzwesten gewesen.

Was die Westen angeht, hält Verteidiger Gerhard Jungfer seinen Mandanten bereits für entlastet. Den Beweis dafür sieht er durch einen in den Akten befindlichen Bericht einer polizeilichen Sonderkommission für Ausstattungsfragen erbracht. Jene hatte Ende 1993 „befürwortet“, dass bei der Polizei „künftig ausschließlich“ Sitek-Westen zu beschaffen seien. Der damit konfrontierte Referatsleiter bezeichnte den Kommissionsbericht gestern allerdings nur als „Empfehlung“. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Plutonia Plarre

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