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■ Das PorträtKartoffel goes Pulver

Wirtschaftswunder: Pfanni-Knödel Foto: taz

Er ist dick. Er ist rund. Er ist in aller Munde. Der Pfanni-Knödel wird 50 und rollt ins Rampenlicht unserer Porträtspalte. Lebe hoch, leckerer Pulverklops, wir wollen der Öffentlichkeit etwas über dich erzählen.

Erfunden hat dich Meister Eckhart, nein, nicht der, ein anderer. Küchenmeister Werner Eckhart brachte 1949 auf einer Nahrungsmittelmesse die Hausfrauen in Verzückung und zauberte aus Kartoffelpuffer und Wasser dich – den Pfanni-Knödel. Die Hausfrauen warfen ihre Kartoffelreiben in die Mülltonne, trugen Nagellack auf, und seitdem hast du in ihren Herzen einen festen Platz. Weil dich aber damals noch so wenige kannten, ließ Meister Eckhart sich etwas einfallen: Er verkaufte dich in Bayern an der Haustüre und packte dich aufs Dach seines VW-Käfer, als riesigen PR-Plastikknödel – lecker. Heute finden wir dich von selbst – samt deinen leckeren Nachfolgern. Neben dir im Regal wartet tütenfrisch verpackt der knusprige Pfanni-Reibekuchen, zu Deutsch: der Kartoffelpuffer. Und seit 1959 gibt es das Pfanni-Pürree, das erste Lebensmittel, das unter Sauerstoffausschluss verpackt wurde, zu deutsch: im Vakuum. Dann ging es Schlag auf Schlag. Es folgten: du als Kochbeutelknödel (1970 patentiert), du als Quarkknödel, als Dampfnudel, als Apfel-Vanille-Taler. Deine Wandlungsfähigkeit kennt keine Grenzen, und du machst nicht nur satt, sondern auch reich. Meister Eckharts Sohn Otto erzielte mit dir 1992 als größter europäischer Spezialist für Kartoffelprodukte einen Umsatz von 378 Millionen Mark.

Heute gehörst du den Amerikanern, denn als deutscher Knödel lebst du unter dem Dach des Lebensmittelriesen Bestfoods zusammen mit Produkten von Knorr, Mondamin und Dextro Energen. Im Team habt ihr 1998 1,7 Milliarden Mark verdient, großartig.

In den frühen fünfziger Jahren warst du, lieber Pfanni-Knödel, in allen Küchen zu Hause, und ein Werbespruch aus jener Zeit erzählt, wie gern frau dich servierte: „Der Duft ihm in die Nase steigt, die Hausfrau stolz auf Pfanni zeigt.“ Heute, so weiß es Bestfoods, isst man dich vorwiegend in „konsumfähigen Ein- bis Zweipersonenhaushalten“, und weil die modernen Leute so wenig Zeit haben, will deine Firma, dass du immer schneller auf den Teller kommst. Deshalb rollen wir dich jetzt aus unserer Porträtspalte direkt hinein in die hungrigen Münder deiner Konsumenten. Schmeck gut, Pfanni-Knödel – auf die nächsten fünzig Jahre! Michaela Kirschner

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