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Ein Koloss in Bewegung

Mike Moore, dem neuen Chef der Welthandelsorganisation, stehen drei schwierige Verhandlungsjahre bevor. Es geht um die Liberalisierung von Landwirtschaft und Dienstleistungen  ■   Von Beate Willms

Die USA wollen alles deregulieren, die Entwicklungsländer müssen für ihre Interessen Zeit gewinnen und bremsen

Berlin (taz) – Die kopflose Zeit im Welthandel ist vorbei. Zumindest in einer Hinsicht: Vier Monate nach dem Ende der Amtszeit von Renato Ruggiero übernimmt der Neuseeländer Mike Moore die Aufgabe, die einflussreichste Wirtschaftsorganisation der Welt, die Welthandelsorganisation (WTO), wieder auf inhaltliche Ziele einzustimmen – und zugleich zu beweisen, dass der lange Streit um die Führungsposition der Akzeptanz der Organisation nicht nachhaltig geschadet hat.

Die Vertreter der 134 Mitgliedsländer hatten sich monatelang nicht über die Nachfolge Ruggieros einigen können und erst im Juli einen Kompromiss gefunden, nach dem Moore den Job für drei Jahre, also die Hälfte der normalen Amtszeit, übernehmen und dann von dem Thailänder Supachai Panitchpadki abgelöst werden soll.

„Ich werde mich voll auf die Vorbereitung für das dritte Ministertreffen Ende November in Seattle konzentrieren“, verkündete Moore vor seinem Amtsantritt. Auf diesem Treffen sollen die Grundlagen für die so genannte Millennium-Runde gelegt werden, in der über die weitere Entwicklung des Welthandels entschieden wird. Die anschließenden Verhandlungen sind zunächst auf drei Jahre angesetzt – was zeigt, dass Skepsis angesagt ist, ob der Kompromiss für die Spitzenposition tatsächlich so gelungen ist. Die heiße Endphase dürfte nämlich genau in die Zeit der Amtsübergabe an Supachai fallen. Moore zeigt sich erst einmal pragmatisch: Darüber wolle er sich Gedanken machen, wenn es so weit ist, derzeit habe er anderes zu tun.

Bislang steht nämlich nicht einmal die Agenda für die Seattle-Konferenz, und die Auseinandersetzung darum macht bereits die unterschiedlichen Interessenkonstellationen klar – und die Kräfteverhältnisse. So gilt als sicher, dass auf jeden Fall über weitere Marktöffnungen in den Bereichen gesprochen wird, die schon während der achtjährigen ersten großen Liberalisierungsrunde in Uruguay angegangen wurden: In der Landwirtschaft steht eine neue Senkungsrunde für Zölle und Subventionen an, bei den Dienstleistungen sollen nach der Telekommunikation und den Finanzdienstleistungen weitere Branchen dereguliert werden, darunter das Gesundheitswesen.

Genug Konfliktstoff bieten diese beiden Punkte allemal. US-Handelsministerin Charlene Barshefsky hat bereits erklärt, sie wolle einen so genannten „top down approach“ vorschlagen. Das heißt, grundsätzlich sollen alle Dienstleistungen liberalisiert werden. Jede Ausnahmeregelung müsste dann extra vertraglich abgesichert werden – bislang läuft das Verfahren andersherum.

Der Liberalisierungskurs der USA wird vor allem von der Cairns-Gruppe unterstützt. Das ist ein informeller Zusammenschluss von Agrarexporteuren, wie Neuseeland und viele Entwicklungsländer. Die EU-Staaten aber wehren sich gegen Subventionsabbau und niedrigere Zölle. Frankreich und Großbritannien sehen die bislang protektionierten Märkte ihrer ehemaligen Kolonien gefährdet, Deutschland und andere EU-Länder befürchten einen schlechteren Verbraucherschutz – wie im aktuellen Streit mit den USA um die EU-Einfuhrsperre für Fleisch von hormonbehandelten Rindern –, aber auch existenzielle Konsequenzen für die eigenen Landwirte. Ähnlich argumentieren Japan und Südkorea, denen es vor allem um kleine Reisbauern geht.

Die Entwicklungsländer würden sich gern auf diese beiden Verhandlungsbereiche beschränken, weil sie nicht einmal alle Maßnahmen aus der Uruguay-Runde umgesetzt haben und Zeit gewinnen wollen. Die EU-Länder sind damit nicht zufrieden: Sie haben eine ganze Liste von weiteren Themenvorschlägen wie Investitionen, Wettbewerbskontrolle und Internethandel eingereicht. Offiziell ganz oben stehen Sozial- und Umweltstandards, gegen die sich aber die ärmeren Länder wehren, weil sie darin eine De-facto-Importsperre sehen.

Um das alles zusammenzubringen, wird Moore viel Verhandlungsgeschick aufbringen müssen. Undiplomatisch hat er sich bisher nicht gezeigt: Einerseits gilt er als Mann der USA und Deutschlands, die seine Ernennung durchgeboxt haben. Andererseits hat er erklärt, er wolle die ärmeren Länder, die wenig personelle und finanzielle Ressourcen für die Verhandlungen haben, mit einem kostenlosen rechtlichen Beratungszentrum unterstützen. Ob er das umsetzen kann, ist allerdings fraglich.

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