: Lichtblick für die Sonnenenergie
■ Ein Kleinunternehmer puscht die solare Energiewende. Der Bund der Energieverbraucher bietet zwar preiswerte Solaranlagen zur Wärme- und Stromgewinnung an. Dennoch sollte man vor dem Kauf mehrere Angebote einholen
Anfang August, Volksfeststimmung auf dem Umweltmarkt in Herzogenrath bei Aachen. Bei sonnigem Wetter drängeln sich die Sonntagsausflügler durch die engen Gassen der Innenstadt. Neben einem Altbier-Pavillon hat Hans Willi Grümmer seinen kleinen Solar-Infostand aufgebaut. Bayerische Volksmusik dröhnt aus Musiklautsprechern, nur eine Blaskapelle aus dem holländischen Nachbarstädtchen Kerkrade kommt dagegen an.
Grümmer lässt sich durch das Spektakel nicht irritieren. Er ist bester Laune, kritzelt auf einemNotizblock eifrig einige Zahlengruppen zusammen. Streicht mal was weg, nimmt einen neuen Anlauf, schreibt wieder, rechnet – und meint dann voller Überzeugung zu einem Ehepaar: „Mit knapp 10.000 Mark müssten Sie hinkommen.“ Die beiden Häuslebauer schauen sich verblüfft an. Der individuelle Eintritt ins Solarzeitalter kommt ihnen wie ein einmaliges Sonderangebot vor. „Also, die ganze Anlage können wir komplett installiert für den Preis bekommen und mehr kostet das nicht?“, wundert sich Otto-Normalverbraucher. Irrtum ausgeschlossen, kontert der 43-jährige Solarfreak und erklärt noch einmal sämtliche Zahlengruppen. Der Deal ist perfekt, und die Visitenkarte mit dem unverwechselbaren Logo „EnergieQuelle“ wechselt den Besitzer.
Alltag im neuen Unternehmerleben von Hans Willi Grümmer. Häufig, so erzählt er, verbringe er die Wochenenden auf solchen Umweltmärkten. Das gehöre zur Pflicht. Nur mit langem Atem und steter Öffentlichkeitsarbeit lasse sich das solare Zeitalter von unten einläuten. „Die Wühlarbeit macht sich bezahlt“, meint er. Passanten bleiben immer wieder an seinem Stand stehen. Neugierig wird die aufgeständerte Solarkollektoranlage bestaunt, die Grümmer mit zwei Helfern zwischen Wohnmobil und seinem Elektroauto der Marke City El aufgebaut hat. Fragen über Fragen: Lohnt sich so ein Ding? Was kostet das? Kann man damit Strom erzeugen? Wie viel Heizöl lässt sich damit sparen? Gibt es Fördergelder? Auf jede Frage hat der Ex-Kaufmann eine Antwort: „Aber man darf den Leuten nicht zu viel versprechen, dann sind sie später enttäuscht.“
Die eigenwillige Basis-PR in Sachen Solartechnik ist für den Solarfan schon Routine. Vor 15 Jahren hat er in mühevoller Kleinarbeit seine erste Brauchwasseranlage zusammengelötet. Wochenlang hat sich Grümmer informiert, getüftelt, Ratschläge eingeholt, Einzelteile besorgt und auf dem Elternhaus in der ehemaligen Bergbaustadt Alsdorf die erste Kollektoranlage installiert. „Wenn die Nachbarn mich auf dem Dach sahen, schüttelten die nur mit dem Kopf“, erzählt „Sonnen-Willi“, wie manche ihn nennen.
Am Anfang stand die Idee, Energie aus der Sonne zu zapfen. Warmes Wasser für die Heizung, für Dusche und Bad sollte der Eigenbau made by Grümmer liefern. Die improvisierte vier Quadratmeter große Anlage läuft heute noch, ein Stück Solargeschichte in der alten Bergbausiedlung, wo nur noch ein frisch gepinseltes Schild mt der Aufschrift „Glück auf – Taubenverein 1924“ an die einst goldenen Zeiten der Kumpel und an das schwarze Silber unter Tage erinnern. Nebenbei gründete Grümmer Anfang der 80er Jahre einen Solarverein, hielt Vorträge an der Volkshochschule, sprach immer wieder mit Handwerkern, leistete Überzeugungsarbeit für die Sonnenwende.
1994 wurde aus dem Hobby ein Full-Time-Job, aus dem Versicherungskaufmann mit Faible für solare Experimente ein selbstständiger Solarunternehmer. Ein beruflicher Quantensprung, der sich für Grümmer gelohnt hat. Das vom Bund der Energieverbraucher im April 1994 aus der Taufe gehobene Phönix-Projekt brachte für den gebürtigen Alsdorfer dann die endgültige Wende. Von Anfang an war der frisch gebackene Solarpionier dabei, versuchte Phönix-Anlagen unters Volk zu bringen. Die Solarinitiative des Bundes der Energieverbraucher ist nur durch Leute wie Grümmer zum heute größten und erfolgreichsten Anbieter von Solaranlagen geworden.
Seit dem offiziellen Startschuss vor gut fünf Jahren sind die Solarzuwächse in Deutschland auf über 20 Prozent hochgeschnellt. Bis Anfang Juni hat Phönix über 13.000 Anlagen vermittelt. „Das Ergebnis konnten wir nur erreichen, weil die Solarberater oft ehrenamtlich arbeiten und aus Überzeugung handeln“, meint Grümmer. Aus seinem Ehrenamt ist inzwischen ein gut florierender Laden geworden. Seit dem Startschuß der Phönix-Kampagne hat der Ex-Kaufmann 450 Anlagen gebaut und bauen lassen, durchschnittlich 100 pro Jahr und überwiegend Kollektorsysteme. Seine Kunden seien mehrheitlich Einfamilienhausbesitzer, erzählt er. Durch Direktbezug beim Hersteller sind die Anlagenpreise niedrig – außerdem sorgt der Bund der Energieverbraucher dafür, dass der Zwischenhandel ausgeschaltet wird, wovon wiederum der Verbraucher profitiert.
Der pfiffige Solarkampagner hat eine sympathische Vision. Künftig müsse eine Kollektor- oder Fotovoltaikanlage „trendy“ sein, „in und chic“, sagt er. „Wie, du hast noch keine Solaranlage?“ Solch eine Frage aus dem Bekanntenkreis müsse jedem Häuslebauer peinlich sein, wünscht sich Grümmer.
Der Bund der Energieverbraucher hat in seiner Juni-Ausgabe der Mitgliederzeitschrift Energiedepesche eine Liste mit Preisen und Herstellerangaben veröffentlicht. Sonnenkollektoren verschiedener Anbieter tauchen in dieser Grafik auf. Ganz oben: die Anlage des Bundes der Energieverbraucher aus dem Phönix-Programm. Nach dieser Tabelle ist sie nur halb so teuer, wie beispielsweise eine Kollektoranlage des Braunschweiger Herstellers Solvis. Was die Tabelle indes verschweigt, erklärte Solar-Pionier Grümmer: „Hier werden, das muss man selbstkritisch sagen, Äpfel mit Birnen verglichen.“ Daraus gehe nicht hervor, wie groß die Anlagen sind, welche technischen Details dazu gehören und ob eine Montage im Preis enthalten ist oder nicht. Der Rat des Alsdorfer Kollektorbauers: Preisvergleich lohnt sich auf jeden Fall. Die Verbraucher sollten sich mindestens drei verschiedene Angebote machen lassen. Die Veröffentlichung der Preistabelle in jener Verbandszeitschrift sei „nur mit Vorsicht zu genießen“, so Grümmer.
Michael Franken ‚/B‘ Weitere Infos über Fotovoltaik- und Kollektoranlagen gibt es unter anderem in der Zeitschrift „Öko-Haus“, Heft 3/99. Hotline: 0 18 05-39 39 33. Bund der Energieverbraucher, Grabenstraße 17, 53619 Rheinbreitbach bei Bonn, Telefon (0 22 24) 9 22 70.
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