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■ KommentarChancenlos  Selbst Wahlsiege würden FDP-Chef Gerhardt nicht mehr retten

Dass die FDP in Thüringen nicht in den Landtag kommt, ist für die Liberalen nicht so schlimm, sie waren dort auch bisher nicht vertreten. Neu ist allerdings, dass sich die FDP selbst für überflüssig erklärt. Thüringens FDP-Chef Heinrich Arens rief die Anhänger der Liberalen auf, CDU zu wählen. Sein Aufruf dürfte wenig Wirkung auf den Wahlausgang gehabt haben, doch für die FDP war er das Signal zur Rebellion. Es geht nicht mehr um ein paar Prozente in Thüringen, es geht um die Führung der Partei. Die Frage ist nicht mehr, ob Parteichef Wolfgang Gerhardt gehen muss, sondern: wann?

Heinrich Arens hat das Grundproblem der FDP auf den Punkt gebracht, daran wird auch sein Parteiausschluss nichts ändern: Seit Gerhardt den Bundesvorsitz übernahm, lässt sich ein Unterschied zwischen den Liberalen und der Union kaum noch erkennen.

In der Siechphase der alten CDU/FDP-Bundesregierung fiel Gerhardt nur durch Ergebenheitsadressen an Helmut Kohl auf. Und auch als sich der Erfolg von Gerhard Schröders SPD abzeichnete, wollte er über andere Optionen nicht einmal nachdenken. Schon damals verhielt sich die FDP nicht wie ein Konkurrent, sondern wie ein Landesverband der CDU. Prompt ging sie bei der Bundestagswahl mit ihr unter.

Hat Gerhardt daraus gelernt? Nein. Er hatte ein Jahr Zeit in der Opposition, ohne den Druck der Koalitionsdisziplin ein eigenes, neues Profil der FDP zu entwikkeln. Die Fehler der Regierung und speziell die der Grünen hätten reichlich Gelegenheiten geboten. Gerhardt ließ sie alle verstreichen.

Jetzt hat er keine Chance mehr. In Sachsen nächste Woche gibt es sowieso nichts zu holen. Und im Westen wird es Gerhardt auch nichts mehr nützen, sollte die FDP bei Landtagswahlen noch einmal gut abschneiden. Überall wo die FDP noch etwas zu sagen hat, sind Gerhardt-Gegner am Ruder. In Rheinland-Pfalz sitzt Parteivize Brüderle in den Startlöchern. In Nordrhein-Westfalen würde von einem Sieg 2000 nur Landeschef Möllemann profitieren – ein erbitterter Feind Gerhardts und Befürworter einer sozialliberalen Koalition. In Schleswig-Holstein tritt Kubicki an – der legte Gerhardt gestern schon einmal den Rücktritt nahe.

Wenn der FDP-Chef klug ist, befolgt er diesen Rat. Lukas Wallraff

Bericht Seite 4

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