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Auch Hessen kriegt seine Amigo-Affäre

■ Filz um die Hertie-Stiftung wird immer dichter. Angeblich hat sie Steuern in dreistelliger Millionenhöhe unterschlagen

Köln (taz) – Die Steueraffäre der Hertie-Stiftung weitet sich zu einer echten Amigo-Affäre aus. Zwar tritt die in Frankfurt ansässige gemeinnützige Stiftung als eine der größten Wohltäterinnen der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) auf. Aber als großzügige Spenderin trifft sie in der DSMG nicht nur auf dankbare Freunde, sondern auch auf den Kontrolleur, der ihre Gemeinnützigkeit überwachen soll.

Die jedoch ist gefährdet. Denn von ihrem Kapital in Höhe von rund 1,6 Milliarden Mark schüttet die Stiftung nur 8 Millionen Mark pro Jahr aus. Dies entspricht lediglich 0,5 Prozent des Kapitals, weniger als ein Postsparbuch einbringt. Zu wenig, um den Status der Gemeinnützigkeit und damit Steuerfreiheit zu genießen, findet Alexander Müller, Vorsitzender der Grünen-Fraktion im hessischen Landtag.

Doch die Hertie-Stiftung findet Rückendeckung in der zuständigen Frankfurter Stadtverwaltung. Dort sitzt der Beamte Peter Peiker, der nicht nur hauptamtlich Stiftungsaufseher des Frankfurter Magistrats ist, sondern auch stellvertretender Vorsitzender des hessischen Landesverbands der DMSG. Bei beiden Tätigkeiten hat er mit Joachim Boese zu tun, Geschäftsführer der Stiftung und Mitglied im ärztlichen Beirat der DMSG. Das Brisante daran: Die Stiftung der Handelskette steht unter Verdacht, Steuern in dreistelliger Millionenhöhe unterschlagen zu haben, und Peiker ist für ihre Kontrolle zuständig. Bedenklicher wird diese Verbindung noch dadurch, dass Hertie die DMSG jährlich mit rund 1,2 Millionen Mark unterstützt.

„Da ist eine Mauer, die durchdringe ich nicht“, beschreibt Müller den Filz um die Stiftung. Der hessische Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU) verweist auf das Steuergeheimnis und die Ermittlungen der Frankfurter Staatsanwaltschaft; Auskunft geben will er nicht.

Weimar hatte beim Bekanntwerden der Vorwürfe gegen die Hertie-Stiftung zwar „eine rasche Aufklärung dieser Angelegenheit“ angekündigt. Resultate gibt es aber keine. So war der Staatsanwaltschaft bis zur taz-Anfrage nicht einmal bekannt, dass der Beamte Peiker sich mit Hertie-Manager Boese unter dem Dach der DMSG trifft. „Das reicht nicht aus für einen Anfangsverdacht“, sagte ein Justizsprecher.

Der Verdacht der Steuerhinterziehung begründet sich auf Grundstücksgeschäfte in Potsdam und ein Darlehen. Gerade dieses Darlehen müsste die Juristen in Sachen Hertie und Peiker hellhörig machen. Wie ein Insider der Hertie-Geschäfte bereits vor Monaten in einer anonymen Anzeige an die Staatsanwaltschaft Frankfurt schreibt, habe Peiker anfangs Bedenken gegen das Darlehen geäußert. Die gemeinnützige Stiftung hatte ihr gesamtes Kapital in Höhe von 1,6 Milliarden Mark für eine Gewinnbeteiligung an die private Familienstiftung der Hertie-Erben weitergereicht (die taz berichtete).

Peiker sei dann aber von einem Vorstandsmitglied der Hertie-Stiftung mit dem Versprechen „ruhig gestellt worden“, dass höhere Fördermittel ausgeschüttet werden könnten. Im Endeffekt blieb es zwar bei den jährlichen 8 Millionen Mark. Auf der Empfängerliste stand jedoch auch Peikers DMSG.

Für Müller ist die Sache klar: „Der Peiker soll die Stiftung nicht überwachen.“ Er will den Fall Peiker/Hertie jetzt im Haushaltsausschuss zur Sprache bringen.

Von Seiten der Sozialdemokraten gibt es wenig Interesse, der Sache nachzugehen. Die Vorwürfe beträfen die Vorgängerregierung, sagt ein Sprecher der SPD-Fraktion. Christian Schnee von der CDU-Fraktion kann sich zuerst gar nicht erklären, „warum es keinen Untersuchungsausschuss gibt“. Nach Rücksprache mit Vorgesetzten sagt er dann: „Ich gehejetzt ganz fest davon aus, dass es keinen geben wird.“

Liegt es daran, dass die DMSG gespickt ist mit CDU-Leuten? So etwa Gottfried Milde, bis November 1990 Innenminister von Hessen und langjähriger CDU-Fraktionschef im Landtag. Jetzt ist Milde Vorsitzender des hessischen Landesverbands und des Bundesverbands der DMSG. Sein Sohn sitzt im Wirtschaftsausschuss des hessischen Landtags.

Dann wäre da noch die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Die ist Peiker nicht nur als oberste Vorgesetzte über den Amtsweg bekannt. Roth ist auch Schirmherrin des hessischen Verbands der DMSG.

Martin Murphy

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