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Richter erschweren Volksentscheid

Bayerisches Verfassungsgericht führt neue Mindestmehrheit bei Volksentscheiden ein. 25 Prozent der Wahlberechtigen müssen künftig zustimmen, wenn die Verfassung geändert werden soll    ■ Von Lukas Wallraff

München (AP/taz)– Bayern ist um ein Kuriosum ärmer: Der Senat, die zweite Kammer des Landtags, muss sich bis Jahresende auflösen. Das bayerische Verfassungsgericht wies gestern eine Klage gegen den Volksentscheid von 1998 zurück. Damals hatten fast 70 Prozent der Wähler für die Abschaffung des bundesweit einmaligen Senats gestimmt.

Gleichzeitig legte das Gericht ein Quorum für künftige Volksentscheide fest: Wenn es um Verfassungsänderungen geht, müssen mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten zustimmen.

„Ganz klar, der Verlierer des Tages ist der Senat“, sagte Noch-Senatspräsident Heribert Thallmair nach der Entscheidung. „Aber es gibt auch einen Sieger – die bayerische Verfassung.“ Die wird nämlich künftig besser vor frechen Änderungswünschen aus der Bevölkerung geschützt. „Damit landet das Gericht punktgenau bei den Vorgaben der Staatsregierung“, bemerkte der bayerische Grünen-Chef Jerzy Montag. Der Jurist nannte das Urteil eine „Entscheidung von CSU-Gnaden“.

Das wird Gerichtspräsidentin Hildegund Holzheid nicht gern hören. Sie verteidigte das Urteil mit großen Worten. In Bayern habe es bisher „eine Lücke in der Verfassung“ gegeben: Während im Landtag für Verfassungsänderungen eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, reichte bei Volksentscheiden die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Jetzt nicht mehr.

Der bisherige Zustand habe, so Richterin Holzheid, „die Stabilität der Verfassung und das parlamentarische System gefährdet“. Deshalb müsse das Quorum her. Um die genauen Regeln muss sich nun der Landtag kümmern. Bis dahin legte das Gericht ein Quorum von 25 Prozent der Stimmberechtigten fest.

Im Gegensatz zu den Grünen begrüßten die Staatsregierung, CSU und SPD das Urteil. Innenminister Günther Beckstein und CSU-Fraktionschef Alois Glück lobten die Einführung des Quorums. SPD-Generalsekretär Wolfgang Hoderlein meinte, mit der Fünfundzwanzigprozenthürde „lässt sich leben“.

Dem Senat trauert dagegen niemand mehr nach. Auch die CSU-Spitze, die vor einem Jahr beim Volksentscheid noch für das Weiterleben des Beratergremiums plädiert hatte, begrüßte gestern, dass der Volksentscheid gültig bleibe.

Nur einer war traurig: Der scheidende Senatspräsident Heribert Thallmair (CSU). „Es wäre nicht glaubwürdig, wenn ich sagen würde, ich wäre nicht berührt“, sagte der 63-jährige Politiker gestern zur taz. Er sei aber auch stolz, weil der Senat mit seiner Klage gegen den Volksentscheid dem Land Bayern „einen letzten Dienst“ erwiesen habe. Erst seine Klage habe den Anstoß dafür gegeben, das Quorum einzuführen.

Die aufmüpfigen Senatsgegner hätten die Hürde übrigens geschafft: Bei dem Volksentscheid im Februar 1998 stimmten 69 Prozent für die Abschaffung des Senats. Bei einer Wahlbeteiligung von knapp 40 Prozent entsprach das 27,3 Prozent der Wahlberechtigten.

Die Aktion „Mehr Demokratie“ plant derweil bereits einen weiteren Volksentscheid – um das Quorum gleich wieder abzuschaffen. Dafür müssen die Quorumsgegner aber eben dieses Quorum erreichen.

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