: Flagge gegen Ausflaggung
Hapag Lloyd muss Seeleute auf der „Europa“ nach deutschem Tarif bezahlen ■ Von Kai von Appen
Etappensieg für die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Im Rechtsstreit gegen die Hamburger Großreederei Hapag Lloyd hat das Arbeitsgericht entschieden, dass 13 Seeleute der alten „MS Europa“ auf der vergangene Woche in Dienst gestellten neuen „Europa“ zu alten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt werden müssen. Das Urteil ist sofort vollstreckbar, obwohl Hapag Lloyd Beschwerde vorm Landesarbeitsgericht eingelegt hat.
Damit geht ein komplizierter Rechtsstreit vorerst zugunsten der Seeleute zu Ende. Der Hapag-Lloyd-Konzern hatte sein damaliges Flaggschiff „Europa“ im April 1998 an die Reederei „Star Cruise“ in Malaysia verkauft, das Schiff aber bis zur Fertigstellung des Neubaus zurückgechartert. „Star Cruise“ flaggte die „Europa“ auf die Bahamas aus und kündigte der 350-köpfigen Crew. 60 Seeleute klagten gegen den Rausschmiss.
20 Klagen waren zwar bislang insofern erfolgreich gewesen, dass das Arbeitsgericht eine Weiterbeschäftigung im Konzern verfügte – jeodch nicht auf der neuen „Europa“, sondern auf den ebenfalls ausgeflaggten Hapag-Lloyd-Schiffen „Bremen“, „Columbus“, „Hanseatic“ und „Astra II“. In dem neuesten Verfahren machte sich ÖTV-Anwalt Gerhard Becker die Mühe, das Konstrukt und die Firmenverflechtungen offenzulegen. So ist zum Beispiel die „Hapag-Lloyd Bahamas“, die Eigentümerin der neuen „Europa“, eine Briefkastenfirma der Hamburger Hapag-Lloyd AG. Auch die Tochterfirmen „Hapag Lloyd Kreuzfahrten“, „Hapag Lloyd Seetouristik“ und „Hapag Lloyd Cruiseship“ sind eng miteinander verbunden. Beim Austausch der „MS Europa“ durch die neue „Europa“ hat es sich laut Gericht daher um einen „Betriebsübergang“ gehandelt, womit auch die Mitarbeiter übernommen werden müssen.
Nach dem neuen Richterspruch müssen die 13 Seeleute nun auf der Europa zu ihren alten Heuern nach deutschen Tarifen bezahlt werden. Der Rest der Crew wird allerdings zunächst von der zypriotischen „Columbia Shipmanagement“ zu Hungerlöhnen eingestellt. „Die Heuer für einen Steward betrug an Bord der alten ,MS Europa' 4700 Mark“, rechnet der ÖTV-Schifffahrtsexperte Klaus Meyer vor. Heute gebe es an Bord des Luxusliners bei Stewards nur „noch Gruppenleiter und eine große Hilfsflotte“. Die Leiter erhalten pauschal 3500, die Hilfskräfte um die 1250 Mark – alle Sozialleistungen müssen selbst getragen werden.
Die ÖTV ist nun bemüht, auf der „Europa“ generell einen Heuertarif durchzusetzen, der mindestens dem Niveau der „Internationalen Transportarbeiter Förderation“ (ITF) entspricht. Meyer mahnt die Reederei, dieser Forderung schnell nachzukommen. Wenn das Schiff nicht die „blue card“ der ITF besitze, könnte es zu ITF-Boykottmaßnahmen kommen. Meyer: „Dann fährt die ,Europa' möglicherweise mal einen Hafen an, kommt aber nicht mehr raus.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen