: Zwickels Ausstiegsmodell ist zu einfach
■ Mit 60 und ganz ohne Abschläge in Rente gehen – das klingt für viele attraktiv. Neue Arbeitsplätze werden so jedoch nicht geschaffen
Rente mit 60, Tariffonds, private Zusatzrente: Kaum einer blickt noch durch bei den vielen Lösungsvorschlägen, die zur Rentenproblematik unterbreitet werden. Das Modell „Rente mit 60“ des IG-Metall-Vorsitzenden Klaus Zwickel hat dabei den Vorteil, dass es leicht zu verstehen ist. Ein Vorteil, der es attraktiv macht als Thema für einen Gewerkschaftstag. Jedoch gerade dieses einfache Modell ist in der komplizierten Soziallandschaft so gut wie nicht umsetzbar. Dies betonen nicht nur Arbeitgeber und die Bundesregierung, sondern auch der Verband der Rentenversicherungsträger. Auch die möglichen positiven Effekte sind sehr umstritten.
Zwickels „Ausstiegsmodell 60“ bedeutet, dass künftig jeder Arbeitnehmer mit 60 in den Ruhestand gehen kann, ohne die üblichen Rentenabschläge in Kauf nehmen zu müssen. Nach derzeitiger Gesetzeslage gilt nämlich: Wer mit 60 aus dem Arbeitsleben ausscheidet – etwa nach Altersteilzeit –, erhält bis zu 18 Prozent weniger. Um diese Abschläge zu finanzieren, sollen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in den nächsten fünf Jahren jeweils 0.5 Prozent der Lohnsteigerungen in einen Tariffonds einzahlen. Nach Zwickels Modell würden somit auch die Jüngeren einen Teil ihres Lohnes abgeben, um den Älteren den Ausstieg zu finanzieren. Zwickels Argument: Wenn von den heute rund 2,6 Millionen Arbeitnehmern im Alter zwischen 55 und 65 Jahren künftig etwa 2,4 Millionen vorzeitig in den Ruhestand gingen, könnten bis zu 1,2 Millionen Stellen für Jüngere frei werden.
Was einfach klingt, birgt in der Wirklichkeit aber zu viele Unbekannte. Denn erstens würden ohnehin nicht alle der 2,4 Millionen betroffenen Arbeitnehmer erst mit 65 in Rente gehen. In vielen Betrieben gibt es schon Altersteilzeitmodelle, nach denen die Beschäftigten künftig im Alter von 57 bis 62 in Altersteilzeit arbeiten und danach mit 62 Jahren ausscheiden: Viele Arbeitgeber gleichen dann wenigstens einen Teil der Rentenabschläge aus. Zudem lässt sich ein Drittel der Beschäftigten heute schon über die Erwerbs- und Berufsunfähigkeit verrenten, auch diese Arbeitnehmer würden künftig ohnehin nicht bis zum 65.Lebensjahr schuften.
Völlig unsicher wäre auch, ob die Jobs der Älteren tatsächlich an die Jüngeren vergeben würden. Bisher sind die Erfahrungen mit dieser Art Arbeitsverteilung eher schlecht: Nur jeder siebte bis jeder dritte frei werdende Job wird neu besetzt, das zeigen alte Erfahrungen mit Vorruhestandsmodellen. Dies liegt an der Dynamik des Arbeitsmarktes: Meist gehen die Älteren aus Jobs in den klassischen Industriebranchen auf Rente, die neuen Stellen aber entstehen in ganz anderen Bereichen, etwa der IT-Branche. Und diese Jobs werden völlig unabhängig davon geschaffen, ob irgendwo Ältere schon mit 60 in Rente gehen.
Die Arbeitgeber lehnen den Vorschlag Zwickels ab, generell allen Erwerbstätigen die Rente ab 60 zu ermöglichen. Auch Arbeitsminister Walter Riester ist gegen den Vorschlag, ein Gesetz zur Rente mit 60 zu schaffen, weil er ein „Liqiditätsproblem“ der Rentenkassen befürchtet. Denn diese müssten in den nächsten Jahren früher Ruhestandsbezüge an ihre Versicherten zahlen. Der Arbeitsminister befürwortet jedoch Tariffonds, in die Arbeitgeber und -nehmer Beiträge einzahlen, um damit individuell Kapital anzusparen für eine zusätzliche Altersversorgung.
Riester hat zudem angekündigt, dass Klein- und Mittelverdiener künftig eine Prämie bekommen sollen, wenn sie privat für das Alter ansparen. Wer weniger als 60.000 Mark verdient, soll bis zu 250 Mark jährlich für die private Altersvorsorge dazubekommen. Barbara Dribbusch
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