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■ taz-Faktotum und Grünen-Sympathisant Christian Specht geht für die PDS ins Rennen
Christian Specht, der „Held vom Heinrichplatz“, (Heim und Welt), wurde erst vor wenigen Wochen auf Platz 8 der PDS-Liste gehievt. Eigentlich wollte er für die Grünen ins Rennen gehen. Diese hatten im Frühjahr seine Geburtstagsparty im Prater ausgerichtet, bei der ihm der innenpolitische Sprecher Wolfgang Wieland einen guten Listenplatz versprochen hatte. Dann versprach ihm auch noch der Kabarettist Dr. Seltsam einen Listenplatz bei der KPD/RZ.
Christian Specht hat noch immer einen Schreibtisch in der taz, sein Geld – 200 Mark im Monat – verdient er jedoch bei den Grünen: als Strategiepapier-Bote zwischen den Stadtteilbüros. Die Ökopartei stattete ihn mit Fahrrad und Bahncard aus. Auf seine PDS-Kandidatur reagierte sie jedoch giftig. Sie lud ihn zur 21-Jahr-Feier in Moabit aus, und Kreuzberg-Chefin Regina Michalik drohte ihm dazu mit Gehaltskürzung.
Mit dem im Kiez äußerst beliebten „Holzjournalisten“ Specht könnte die PDS im „Problembezirk“ gegenüber den Grünen an Boden gewinnen. Eigenwillig widerspricht der Kandidat der Forderung beider Parteien, wenn er sich in einem Flugblatt für den Erhalt des Berliner Polizeiorchesters ausspricht. Die Musiker bedankten sich bei ihm mit einem Ständchen auf seiner Geburtstagsparty.
Den Kreuzberger Wahlkampf bestritt Christian Specht vor allem mit seinen Thesen zur Behindertenpolitik. Als Analphabet, so mögen die PDS-Strategen gedacht haben, sind dabei Person und Sache identisch und seine Überzeugungskraft somit stärker. So wie die türkischen Kandidaten automatisch zu Türkenpolitik-Experten „gemacht“ werden und schwule Künstler vor allem unter den Camp-Kulturschaffenden auf Stimmenfang gehen.
Dieser PC-Rassismus ist jedoch Christian Spechts Sache gerade nicht. Mit seiner Aktionsmoral widersetzt er sich nicht nur jeder gefühlig-ethischen Appellpolitik, sein aufgrund der eigenen Aliterarität ins Äußerste gesteigerter Begriff vom „Anderen“ steht auch quer etwa zu Jacques Derridas ganz „Anderen“, das sich für den Berufsphilosophen allein in der Schrift manifestiert. Für Christian Specht löst sich demgegenüber das „Fremde“ – diesseits aller „Opfer“ (Behinderte) und „Täter“ (Polizeiorchester) – eher im Levinasschen „Gesicht“ auf: Als ein Gegenüber, bei dem es gerade nicht (mehr) um die gegenseitige Ausbalancierung von Erwartungen geht, sondern um eine grundeigentümliche Verantwortlichkeit. Levinas spricht in diesem Zusammenhang sogar – positiv – von „Geisel“. Dieser seiner – lebenslänglichen – Geiselhaft verdanken die Politaktionen von Christian Specht ihre Schwungkraft. Und er verdankt ihr seine einnehmend gute Laune.
Helmut Höge
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