Aufstand im Keim erstickt

■  Ost-Kreisvorsitzende verzichteten beim Kleinen Parteitag der SPD auf ein Misstrauensvotum gegen den geschäftsführenden Landesvorstand. Zwei Ost-Genossen in Führungsriege aufgenommen

Einige SPD-Kreisvorsitzende aus dem Ostteil der Stadt hatten schon die Messer gewetzt. Beim Kleinen Parteitag der SPD am Samstag wollten sie eigentlich die Absetzung des gesamten geschäftsführenden Landesvorstandes fordern. Dem siebenköpfigen Gremium lasteten sie vor allem das miserable Wahlergebnis der SPD im Ostteil der Stadt an. „Der Osten kam im Wahlkampf nicht vor“, kritisierte gestern der Weißenseer Kreisvorsitzende Ralf Hillenberg gegenüber der taz. „Wir haben keine Unterstützung bekommen.“

Bei einem Treffen der elf Kreisvorsitzenden aus dem Ostteil der Stadt war am Vorabend des Landesausschusses über Konsequenzen diskutiert worden. Doch die Forderung nach einer Absetzung des geschäftsführenden Landesvorstandes wurde verworfen. Zum einen, weil Vizevorsitzende wie Hermann Borghorst, die sich immer für den Osten eingesetzt hatten, oder Ost-Ikone Christine Bergmann nicht mit bestraft werden sollten. Zum anderen erkannten die Genossen, dass es der Partei schade, wenn das eigene Führungspersonal von einem Mißtrauensvotum geschwächt in Sondierungsgespräche mit der CDU geschickt werde.

In der Runde der Ostkreisvorsitzenden wurden aber auch selbstkritische Stimmen laut. Man habe sich zu wenig eingemischt in den letzten Jahren. Am Ende beschlossen die elf einstimmig, dass das Wahlergebnis nicht einzelnen Führungspersonen anzulasten sei, sondern vom gesamten Landesausschuss mitzutragen sei. Schließlich habe das Gremium derPolitik der letzten Jahre zugestimmt.

Eine Debatte über die Arbeit des geschäftsführenden Landesvorstandes lösten die Kreisvorsitzenden aus dem Osten dennoch aus. Parteichef Peter Strieder sah sich dazu veranlasst, ein offenes Vertrauensvotum für das Führungsgremium herbeizuführen. Eine breite Mehrheit hob die Hand, um dem geschäftsführenden Landesvorstand das Vertrauen auszusprechen – ein Verfahren, das teils auf Kritik stieß. „Eine geheime Abstimmung wäre korrekter gewesen,“ hieß es.

Um die Genossen aus dem Ostteil der Stadt künftig stärker einzubinden, wurden der Lichtenberger Kreisvorsitzende Andreas Geisel und der Köpenicker Bezirksbürgermeister Klaus Ulbricht als Mitglieder des geschäftsführenden Landesausschusses beigeordnet. Stimmrecht haben sie allerdings nicht, weil dies gegen die Satzung verstoßen würde. Bis zur Neuwahl des Gremiums im Frühjahr 2000 wollen sich die Ost-Genossen mit dieser Lösung zufrieden geben. Außerdem will die SPD ein Forum Ost einberufen. „Die ganze Partei muss überlegen, wie wir das standing der SPD im Osten verbessern können“, sagte Strieder. Bis zum Sonderparteitag im November sollen mehrere Arbeitsgruppen Vorschläge für eine Parteireform und ein neues Leitbild für die Stadt entwickeln.

Selbst kritische Köpfe erklärten gestern, „die gruppendynamischen Prozesse“ auf dem kleinen Parteitag seien in gelöster Atmosphäre“ verlaufen. Kopfschütteln lösten aber die zehn „Grundsätze zum Umgang mit der Presse“ aus, mit denen Parteichef Strieder die Genossen medial an die kurze Leine legen will. Dorothee Winden

Seiten 5, 10 und 19