: Zehn Jahre Haft für Folter im Keller
■ Landgericht verurteilt 49-Jährigen wegen Vergewaltigung und Entführung. Er muss in eine psychiatrische Klinik. Verteidiger und Staatsanwalt rügen reißerische Presseberichte
Zu zehn Jahren Haft und Einweisung in eine psychiatrische Anstalt hat das Landgericht gestern den 49-jährigen Dieter H. verurteilt. Der Bauhelfer hatte am 14. Februar die 34-jährige Modedesignerin Sylke R. vor dem S-Bahnhof Alt-Glienicke entführt, sie 54 Tage lang im Keller seines Hauses in Kaulsdorf festgehalten und dort mehrfach sexuell missbraucht.
Der Angeklagte nahm das Urteil kommentarlos zur Kentnis. Schon die knapp siebenstündige, nichtöffentliche Verhandlung hatte er regungslos in einem Krankentransportstuhl verbracht. Am Wochenende hatte er sich bei einem Selbstmordversuch verletzt.
Das Gericht folgte mit dem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte selbst, dem ein Gutachter verminderte Schuldfähigkeit attestierte, bestritt mit leiser, tonloser Stimme die genaue Planung der Tat: „Was man mir da vorwirft, ist nicht wahr.“
Der Prozess begann – wegen des Selbstmordversuchs zwei Tage später als geplant – mit einer Medienschelte: Als „Sex-Keller-Monster“ und „Folter-Bestie“ hatte H. vor Prozessbeginn insbesondere die Seiten der Boulevardzeitungen beherrscht. Dabei sei es, so der Anwalt des Angeklagten, in einigen Medien zu extrem reißerischer Berichterstattung sowie „gezielter Falschinformation“ gekommen, die selbst der Staatsanwalt in seinem Plädoyer als „widerwärtig“ verurteilte. Schließlich warfen sich Staatsanwalt und Verteidiger gegenseitig einen unsensiblen Umgang mit der Presse vor: Tatort- sowie Haftfotos des Angeklagten waren in einer Boulevardzeitung aufgetaucht.
Bereits kurz nach Verhandlungsbeginn wurde die Öffentlichkeit auf Antrag der Verteidigung ausgeschlossen. Mit der Privatsphäre des Opfers Sylke R. und dem weiter zu erörternden „Sexualleben sowie dem engsten Persönlichkeitsbereich“ des Angeklagten wurde der Ausschluss begründet. Und dem gab das Gericht zumindest für die Dauer der Beweisaufnahme statt, die H.s Vernehmung sowie die Verlesung des psychologischen Gutachtens einschloss. So warteten Kamera- und Fotoreporter vergebens auf weitere Bilder von Dieter H.
Justizsprecherin Michaela Blume wollte den Streit um die Rolle der Medien nicht weiter kommentieren, hoffte aber, dass das Gericht mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit seiner „Fürsorgepflicht“ zum Schutz der Privatsphäre nachgekommen sei. Diese Pflicht besteht nach den Worten der Vorsitzenden Richterin jedoch nur bedingt, da der Angeklagte „durch die Tat selbst die Ursache für die öffentliche Erörterung gegeben“ habe. Christoph Rasch
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