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Fühlen Sie sich belästigt?

■ Der Polizeipräsident fragt – Bremens Bürger antworten / Umfassende Erhebung über Sicherheitsbedürfnisse soll der Polizei für ihre Arbeit wichtige Informationen liefern

Bremens Polizeipräsident Rolf Lüken will sich „persönlich und sehr sorgfältig“ um die Sicherheit in der Stadt kümmern. Durch eine Umfrage sollen erst einmal Sicherheits-Bedürfnisse und -Defizite ermittelt werden. Mehr als 3.000 Bürger sollen „Erwartungen und Erfahrungen“ mitteilen, aus denen der Polizeipräsident „Anregungen für die Arbeit vor Ort“ erhalten will. Das Aufgabenfeld der Polizei ist, das lässt sich dem Umfang der Fragen entnehmen, umfassend.

„Inwieweit fühlen Sie sich beeinträchtigt durch“, fragt der Polizeipräsident etwa, und dann kann der gefragte Bürger sein Kreuz machen bei: „Lärm, Hundekot, heruntergekommene Gebäude, beschädigte Telefonzellen, falsch parkende Autos, Graffiti“ etc. Die Themen überschreiten zwar zum Teil die bisherigen Kompetenzen der Polizei, sie betreffen – etwa wenn unter „Lärm“ auch Verkehrslärm von den Betragten verstanden wird – auch polizeilich zu schützende Tatbestände, aber vielleicht lässt sich gerade aus dem Vergleich legaler und rechtswidriger Ärgernisse Entscheidendes für die polizeiliche Sicherheitsstrategie erkennen. Insgesamt ist nach der neueren Diskussion ja nicht die objektiv feststellbare Sicherheit (etwa: Wieviele Telefonzellen werden zerstört im Jahr?) entscheidend, sondern das Sicherheitsempfinden.

Zum Sicherheitsempfinden gehört nicht nur die zwingende Frage: „Sind Sie während der letzten 12 Monate Opfer einer Vergewaltung geworden“, auch „Wie gerne wohnen Sie in Ihrem Stadtteil“ kann der befragte Bürger ankreuzen. Der Präsident möchte wissen: „Inwiefern fühlen Sie sich durch folgende Personengruppen beeinträchtigt?“ und dann geht es um „Herumlungernde Jugendliche, zu viele Ausländer, undiszipliniert fahrende Autofahrer, undiszipliniert fahrende Radfahrer...“ Da aus polizeilicher Sicht die Radikalität unabhängig von der Farbe ein Problem ist, stellt der Polizeipräsident in derselben Tabelle auch eine Frage nach der Beeinträchtigung durch „Rechts- und/oder Linksradikale".

Vermutlich, um nicht Zielscheibe der Kritik von interessierter Seite zu werden, hat der Polizeipräsident auf die Stellung weiterer Fragen verzichtet, die für das Sicherheitsbedürfnis in Bremen entscheidend sein dürften: Wenn in die Kategorie der „Beeinträchtigung durch Personengruppen“ auch die Männer aufgeführt worden wären, hätten hier sicherlich viele der weiblichen Umfrage-Subjekte ihr Gefühl zur Sicherheitslage ausdrücken können. Reizvoll für die polizeiliche Arbeit wäre es sicherlich auch gewesen, das Gefühl der Beeinträchtigung der Protestanten in Bremen durch die Anwesenheit tausender Katholiken zu erfragen. Hier hat der Polizeipäsident sich aber Zurückhaltung auferlegt.

Nicht ganz ausgeräumt hat Rolf Lüken allerdings – wenn diese Anmerkung erlaubt ist – den kritischen Hinweis auf mögliche Verfälschungen, die auftreten, wenn nicht ein unabhängiges Institut für die Umfrage verantwortlich zeichnet, sondern die Polizei selbst. Es könnte der Verdacht entstehen, dass die Bürger sich bei ihrer Antwort ganz unabsichtlich von der Erwartungshaltung des Fragenden beeinflussen lassen und auch wenn der Polizeipräsident „persönlich und sehr sorgfältig“ an die Auswertung der Umfrage herangehen will, wäre es für die wichtigen Ergebnisse doch vielleicht besser gewesen, wenn eine unabhängige Stelle damit beauftragt worden wäre.

Diese Anmerkung soll aber nicht den großen Wert der Umfrage „für die zukünftige Arbeit der Bremer Polizei“ schmälern, die sich der Präsident völlig zu Recht von den Antworten der Bürger verspricht.

K.W.

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