: UN-Streit um Irak-Sanktionen
Der Koordinator für die UN-Hilfe im Irak kritisiert humanitäre Folgen des Embargos. Von Sponeck bleibt gegen den Widerstand der USA im Amt ■ Von Karim El-Gawhary
Kairo (taz) – Was passiert, wenn sich der ranghöchste UN-Diplomat in Bagdad kritisch zu den von der UN gegen den Irak verhängten Sanktionen äußert? Der „UN-Koordinator für Humanitäre Fragen im Irak“, Hans von Sponeck, hat in letzter Zeit kaum noch ein Blatt vor den Mund genommen, wenn es darum ging, seine Frustration über die humanitären Folgen des Embargos auszudrücken.
In den USA und Großbritannien hat sich der deutsche UN-Diplomat damit keine Freunde gemacht, man fordert dort inzwischen offen seinen Rücktritt. Der Sprecher des US-Außenministeriums, James Rubin, hat bereits erklärt, dass die USA kein Vertrauen mehr in Sponeck setzten und dies auch der UN-Spitze deutlich gemacht habe. Die zeigte sich allerdings ziemlich unbeeindruckt. UN-Generalsekretär Kofi Annan hält an seinem wichtigsten Mann in Bagdad fest und hat den Vertrag Sponecks jetzt um ein weiteres Jahr verlängert. Hintergrund des diplomatischen Gerangels ist die Frage, wie es nach zehn Jahren mit den Sanktionen gegen den Irak eigentlich weiter gehen soll. Seit Monaten versucht der UN-Sicherheitsrat darauf eine Antwort zu finden. Inzwischen stellen zwar die meisten Mitglieder des Sicherheitsrates die Sanktionen in Frage, Washington und London bleiben jedoch bei ihrer harten Linie.
Von Sponeck ist dafür zuständig, im Irak das UN-Programm „Öl für Nahrungsmittel“ zu koordinieren, das dem Irak erlaubt, alle sechs Monate Öl im Wert von 5,3 Milliarden Dollar zu verkaufen und für diesen Betrag Nahrungsmittel und Medikamente einzuführen. Jede einzelne Einfuhr muss von einem Sanktionskomitee genehmigt werden, und es ist ein offenes Geheimnis, dass Vertreter der USA und Großbritanniens in diesem Komitee hunderte von Lieferverträgen blockieren.
Die Not der irakischen Bevölkerung wird immer offensichtlicher. Ein im August veröffentlicher Bericht des UN-Kinderhilfswerks Unicef gibt an, dass sich die Sterberate irakischer Kinder unter fünf Jahren in der Zeit seit Beginn des Embargos verdoppelt habe. Über eine halbe Million Kinder sollen wegen der Sanktionen gestorben sein.
Von Sponeck, der sein Amt vor einem Jahr übernommen hat, gilt als ruhiger und besonnener UN-Diplomat. Dennoch spricht er inzwischen offen darüber, welche Zerstörungen die Sanktionen in der irakischen Gesellschaft anrichten. Man dürfe der irakischen Bevölkerung nicht die Menschenrechte auf Gesundheit, Erziehung und Arbeit entziehen, erklärte er kürzlich in einem Interview. Er sei nicht gegen die USA oder gegen Großbritannien oder für den Irak, aber er sorge sich um die irakischen Menschen. Sponeck ruft dazu auf, die Frage einer Erleichterung bei den Sanktionen von den Fortschritten im irakischen Abrüstungsprogramm zu trennen. Ein Vorschlag der von den USA und Großbritannien abgelehnt wird.
Sponecks Amt als humanitärer Koordinator im Irak hatte sich schon für seinen Vorgänger als Schleudersitz erwiesen. Auch der Ire Denis Halliday hatte sich im Laufe seiner Amtszeit immer kritischer zu den Sanktionen geäußert und war ebenfalls damit bei den USA und Großbritannien in Ungnade gefallen. Halliday hatte daraufhin demissioniert, er reist inzwischen als Privatmann durch die Welt und kritisiert auf Veranstaltungen den Sinn und Zweck der Sanktionen. UN-Sprecher Fred Eckard fasste die ganze Angelegenheit so zusammen: Es gab Beschwerden über den Vorgänger und es wird Beschwerden über den Nachfolger geben. Das sei einfach ein Teil dieses Jobs. Tatsächlich spiegelt das Amt des UN-Koordinators für Humanitäre Angelegenheiten im Irak einfach das Dilemma der UN in dieser Frage. In ihrem Namen sind die Sanktionen verhängt worden, deren Folgennun ebenfalls in ihrem Namen gemildert werden sollen.
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