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Kein Signal für mehr Gleichberechtigung

■ Frauenverbände kritisieren heftig das neue rot-grüne Gesetz zur Familienförderung

Berlin (taz) – Der Triumph ist klein, doch er poliert das politische Profil. Auf Initiative der Grünen wird die Erhöhung des Kindergeldes um 20 Mark, die gestern im Rahmen des Familienförderungsgesetzes im Bundestag verabschiedet wurde, künftig nicht mehr auf die Sozialhilfe angerechnet. Eine so genannte Freilassungsregelung im Bundessozialhilfegesetz sorgt dafür, dass die zusätzlichen ausgezahlten 20 Mark bei einem Kind beziehungsweise 40 Mark bei zwei und mehr Kindern nicht mehr von der „Stütze“ abgezogen werden.

„Wir freuen uns, dass beim Familienförderungsgesetz eine grüne Initiative umgesetzt worden ist“, erklärt der Abgeordnete Klaus Müller zufrieden. Der finanzpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion der Grünen lobt „die konsequente Entlastung der Familien“. Neben der Anhebung des Kindergeldes sieht das neue Familienförderungsgesetz die Einführung eines einheitlichen Betreuungsfreibetrages von 3.024 Mark für Kinder bis zum 16. Lebensjahr vor. Dies, so Müller, werde Familien um durchschnittlich 480 Mark im Jahr entlasten.

Doch damit ist die Lobeshymne auf das neue Gesetzeswerk bereits erschöpft. Die Mehrheit der Familienverbände ist mit der jetzt vom Bundestag beschlossenen Regelung unzufrieden. „Mit der Einführung eines einheitlichen Betreuungsfreibetrages werden viele Alleinerziehende im Vergleich zur jetzigen Regelung schlechter gestellt“, moniert Rosemarie Daumüller vom Diakonischen Werk. Dies entspräche nicht der Intention der Bundesverfassungsgerichtes. „Die Richter wollten erreichen, dass auch verheiratete Eltern künftig Betreuungskosten geltend machen können, jedoch nicht auf Kosten der Alleinerziehenden.“

Bisher konnten Alleinerziehende Betreuungskosten bis zu 4.000 Mark jährlich für das erste und für jedes weitere Kind bis zu 2.000 Mark absetzen. Aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 10. November 1998 war die Bundesregierung jedoch gezwungen worden, Familien allgemein stärker zu entlasten. Unabhängig vom Familienstand sollten von allen Eltern höhere Betreuungskosten für ihre Kinder geltend gemacht werden können. Zusätzlich muss der Gesetzgeber bis zum Jahr 2002 noch die Erziehungskosten in einem Haushaltsfreibetrag berücksichtigen, wie er bisher ebenfalls nur den Alleinerziehenden zustand.

„Es kann ohne Pathos behauptet werden, dass die Alleinerziehenden die Besserstellung der wohlhabenden Ehepaar-Familien finanzieren“, kritisiert Peggi Liebisch vom Verband Alleinerziehender Mütter und Väter. Der neue Betreuungsfreibetrag sei zu niedrig und könne zudem bei getrennt lebenden Eltern geteilt werden. Für Christel Riedel, Rechtsreferentin beim Deutschen Frauenrat, sollten die tatsächlichen Betreuungskosten anstatt durch eine Pauschale als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden können, wenn die Frau berufstätig ist. „Wir müssen erneut vor Gericht ziehen, anders geht es nicht“, kündigte sie gestern an.

Doch bei der Kritik am neuen Familienförderungsgesetz geht es nicht nur um die geplanten steuerlichen Entlastungen. Insbesondere Frauenverbände vermissen ein politisches Signal für mehr Gleichberechtigung. „Wir müssen endlich das Ehegattensplitting abschaffen und die Individualbesteuerung einführen, dann könnten wir es uns leisten, Familien wesentlich mehr als bisher zu entlasten“, erklärte Christel Riedel. Von der rot-grünen Regierung zeigten sich die Vertreterinnen von 52 Mitgliedsverbänden, in denen elf Millionen Frauen organisiert sind, enttäuscht: „Unter der CDU-Regierung wurde das Thema von den Männern eher gönnerhaft behandelt“, erinnert sich Geschäftsführerin Daniela Nowak beinahe sehnsüchtig. Jetzt sei ein richtiger Geschlechterkampf mit harten Fronten entbrannt. Nowak: „Das Ergebnis ist leider bis jetzt nicht besser.“ Astrid Prange

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