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Ein Kontrolleur, vor dem die Unternehmen zittern

■ Aufsichtsräte sollen endlich Aufsicht führen: Börsenexperten und Wirtschaftsprüfer fordern wesentlich strengere Kontrollmechanismen für deutsche Aktiengesellschaften

Angesichts des Holzmann-Desasters wird die Forderung nach einer besseren Kontrolle von Aktiengesellschaften immer lauter. „Was wir wirklich brauchen, sind professionelle Aufsichtsräte; und nicht die Luschen der Anteilseigner, die in zehn bis zwölf Aufsichtsräten sitzen und alleine schon aus Zeitmangel nicht mehr durchblicken.“ Klaus A. Lube, renommierter Berater von Aktionären und Banken, forderte gestern mit Blick auf den „Holzmann-Komplex“ eine radikale Reform des deutschen Aktienrechts.

Der Experte tritt dafür ein, dass nicht nur die Kapitalseite und die Gewerkschaften in den Aufsichtsräten sitzen sollen, sondern zudem auch unabhängige Wirtschaftswissenschaftler von den Universitäten. Diese seien oftmals besser in der Lage, die ganze Bandbreite der Aktivitäten der Vorstände multinationaler Konzerne zu beurteilen. Der Staat müsse mit einer Reform der Rahmenbedingungen die Einrichtung effektiver Aufsichtsgremien erzwingen, sagte Lube.

Holzmann sei schließlich nicht das erste Beispiel dafür, dass die Aufsichtsräte vor allem aus den großen Banken ihrer Aufsichtspflicht nur unzureichend nachgekommen seien. „Holzmann ist nur ein besonders krasses Beispiel, weil ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank Aufsichtsratsvorsitzender bei Holzmann war – und noch immer ist.“ Dabei hätten Insider schon vor Jahren konstatieren müssen, dass es sich bei Holzmann um ein „in sich marodes Unternehmen“ handelte, das heute nur dann noch gerettet werden könne, wenn sich die Aktivitäten der Retter auf den Erhalt des kleinen gesunden Kerns konzentrierten. Lube erinnerte an die AEG. Die sei „25 Jahre lang auf Kosten der Steuerzahler und der Aktionäre gestorben“.

Karl Graf zu Elzt, Sprecher der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen, fordert darüber hinaus die Einrichtung einer Behörde, ähnlich der US-amerikanische Unternehmens- und Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC). Dieses staatliche Gremium kann Bußgelder verhängen und eigene strafrechtlich relevante Ermittlungen durchführen. „Das System hat sich in den Staaten sehr bewährt“, sagt Graf Eltz. Alle Unternehmen zitterten vor der SEC wie andere vor dem FBI.

Es gehe nämlich nicht um „mehr Transparenz“, die der Kanzler gestern in seiner Rede im Bundestag bei den Unternehmen eingefordert hatte, sondern „schlicht um Kontrolle“, sagte Klaus A. Lube: „Heute noch können Sie doch eher eine Sau am eingeseiften Schwanz festhalten als ein Aufsichtsratsmitglied zur Verantwortung ziehen“, empört sich der Börsenexperte.

Eine Reform des Aufsichtsratswesens fordert auch der Sprecher der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Jürgen Kurz. Aufsichtsräte hätten zwar schon heute „jedes Recht“, sich alle relevanten Unterlagen vorlegen und im Detail erläutern zu lassen; aber davon werde ganz offenbar kaum Gebrauch gemacht. Da sei jetzt der Gesetzgeber gefordert, der den Weg für unabhängige Experten in den Aufsichtsräten frei machen müsse. „Wenn nicht, bleiben immer die Beschäftigten und die Kleinaktionäre die Dummen.“ K.P. Klingelschmitt, Frankfurt

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