Wir lassen lesen: Alles hochsterilisiert
Von Fouls aus dem Knöchelverzeichnis und anderen verbalen Verbrechen
Mit dem Ball können die meisten jonglieren. Zweigeteilt sind Fußballprofis und andere Sporttreibende jedoch bei der Gewandtheit mit dem Wort. Egal, ob sie damit geistreiche oder dilettantische Höchstleistungen vollbringen – „Verlieren ist wie gewinnen. Nur umgekehrt“ hat sie fast alle gesammelt. Einmal die 144 Seiten in Angriff genommen, mag man das Werk erst nach dem Genuss der letzten der rund 500 Sportler-Weisheiten aus der Hand legen.
Dampfplauderer à la Werner Hansch („Dressels Beitrag zum Mozart-Jahr: Ein Foul aus dem Knöchelverzeichnis.“) oder die nicht erst durch den taz-Starschnitt zu ungeahntem Ruhm gekommene Quasselstrippe Heribert Faßbender („Sie sollten das Spiel nicht zu früh abschalten. Es kann noch schlimmer werden.“) dürfen natürlich ebenso wenig fehlen wie die Rechenkünste mancher Fußballer. Sei es „Ihr fünf spielt jetzt vier gegen drei“ von Schalke-Trainer Fritz Langner oder Roland Wohlfarths „Zwei Chancen, ein Tor – das nennt man wohl hundertprozentige Chancenauswertung“; leider fehlt der Höhepunkt des kleinen Fritz Walter, der einst beim VfB Stuttgart befand, er und Jürgen Klinsmann seien ein gefährliches Trio. Dem Zahlengeplänkel widerspricht aber irgendwie die Aussage von Karl-Heinz Thielen, einst Manager des 1. FC Köln: „Einige von unseren Spielern können kaum ihre Namen schreiben. Aber Sie sollten sie mal addieren sehen!“ Nun gut, vielleicht wird das in dieser Besprechung auch alles „viel zu hochsterilisiert“ (Bernard Dietz).
Im Kapitel über „Alte Hasen und junge Spunde“ erklärte Josef Hickersberger seine Vertragsgespräche mit Bayer Leverkusen ganz schlicht. „In meinem Alter muss ich darauf achten, in einen Verein zu kommen, wo es Medikamente umsonst gibt.“ Der Beweis, dass Bälle häufig den Kopf mehr malträtieren als Fäuste, findet sich im selben Abschnitt. Altmeister George Foreman konterte kühl das Begehren nach einem „WM-Kampf der Senioren“ gegen den gleichaltrigen Larry Holmes: „Das würde im Ring so sehr nach Rheumasalbe stinken, dass niemand zu diesem Kampf hinkommen würde.“ Jim Watt, ebenfalls ehemaliger Boxweltmeister, fand eine schlagfertige Antwort auf die Frage nach der Inschrift, die er sich auf seinem Grabstein wünscht: „Ihr könnt aufhören zu zählen; ich steh nicht mehr auf!“
Nun noch kurz vor dem Jahr 2000 anstatt Hohn über andere ausnahmsweise selbstkritisch etwas Asche auf die eigene Zunft gestreut. Robert Lembke, vor „Welches Schweinderl hätten’S denn gern?“ als Sportjournalist tätig, monierte schon vor Jahrzehnten die Malaise des deutschen Fußballs. „Eines der Probleme beim Fußball ist, dass die einzigen Leute, die wissen, wie man spielen müsste, auf der Pressetribüne sitzen.“ Phonetische Fehlleistungen wie jene von Heinz Maegerlein während einer Übertragung eines Skirennens („Sie standen an den Hängen und Pisten“) findet Christoph Daum eher harmlos und erinnert sich mit mehr Schaudern an seine Zeit als Fußballtrainer in der Türkei. „Im Vergleich zu den Artikeln, die türkische Journalisten schreiben, sind die Märchen aus ,Tausendundeiner Nacht‘ empirische Untersuchungen.“ Mindestens gut erfunden ist die angebliche Aufforderung von Formel-1-Weltmeister Jody Scheckter an eine Taxifahrerin bei Tempo 60: „Fahren Sie bitte langsamer. Die Raserei macht mich nervös.“ Und Gerd Müller, „Bomber der Nation“, scherzte: „Mein fairster Spieler war Rolf Rüssmann von Schalke 04. Der hat sich bei mir immer schon vor dem Foul entschuldigt!“
Die herrliche Sprüchesammlung, deren geistige Flachpässe meist von Fußballern stammen, kann nur noch von einem Werk übertroffen werden. Im letzten Zitat auf Seite 142 verkündet Otto Rehhagel: „Irgendwann, wenn ich aufhöre, schreibe ich mal ein Buch: die dümmsten Sprüche der Bundesliga.“ Sicher eine einmalige Autobiografie. Hartmut Metz
Frank Langenfeld/Burkhard Fritsche: „Verlieren ist wie gewinnen. Nur umgekehrt.“ Verlag die Werkstatt, 142 Seiten, DM 16,80
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