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Die halbe Liste gehört den Frauen

Frankreichs Nationalversammlung beschließt ein einzigartiges Gesetz zur Gleichstellung von Frauen in der Politik. Die Feministinnen nehmens hin ■ Aus Paris Dorothea Hahn

So viel Einigkeit gibt es in Frankreich fast nur, wenn es um Frauen geht. Mit nur einer Gegenstimme haben in der Nacht zu gestern alle in der Nationalversammlung vertretenen PolitikerInnen ein Gleichstellungsgesetz angenommen. Es verpflichtet die Parteien dazu, ihre Wahllisten zu 50 Prozent zu feminisieren. Damit wird Frankreich, das aus prinzipiellen Erwägungen jahrzehntelang keinerlei positive Diskriminierung in seinen Gesetzen hatte, weltweit das erste Land, das die Geschlechtergleichstellung in seine Wahlgesetze hineinschreibt.

Die Erklärung für den ungewöhnlichen Schritt springt geradezu ins Auge: Mit lediglich zehn Prozent weiblichen Abgeordneten in der Nationalversammlung und nur sechs Prozent im Senat bildet Frankreich vor Griechenland fast das Schlusslicht in der Europäischen Union. Hinzu kommt, dass die Gleichstellungspolitik durch nach Geschlechterproporz besetzte Wahllisten in der Praxis bereits von mehreren Parteien erprobt worden ist.

Mit großem Werberummel setzten die Sozialisten schon vor Jahren 40 Prozent Frauen auf ihre Listen. Die Konservativen zogen später nach. Der bislang größte Coup gelang freilich der neogaullistischen RPR, die Ende vergangenen Jahres erstmals eine Frau an ihre Spitze wählte.

RPR-Chefin Michèle Alliot-Marie, kurz: MAM, die Wert auf die männliche Anrede „le président“ legt, sprach sich vorab gegen die Gleichstellungsregelung für Wahllisten aus. MAM, deren Partei bei den letzten Parlamentswahlen 7,7 Prozent Frauen auf ihrer Liste hatte, konnte ihre Position jedoch nicht bei ihren Co-ParlamentarierInnen durchsetzen und verließ die Nationalversammlung Stunden vor der Abstimmung. Zahlreiche Abgeordnete taten es wie sie, weshalb der Saal bei der Abstimmung um zwei Uhr morgens nur noch dünn besetzt war.

Die Fahne der GegnerInnen hielt nur die konservativ-liberale Christine Boutin hoch. Sie nannte das Gleichstellungsgesetz „sehr schwerwiegend“ und begründete, dass die Republikgründer Frankreich im Jahr 1792 als „einig und unteilbar“ bezeichnet hätten. Die Einführung des Weiblichen als politische Kategorie würde dieses Prinzip durch die Logik: „Frauen repräsentieren Frauen und Männer repräsentieren Männer“ ersetzen.

Das Gleichstellungsgesetz, das noch vom Senat beraten werden muss, sieht vor, dass die Listen für Europawahlen und für die Besetzung eines Teils des Senats nach dem Reißverschlussprinzip funktionieren sollen: Eine Frau, ein Mann, etc. Für alle anderen Wahlen – darunter die zum Parlament und die im nächsten Jahr anstehenden Kommunalwahlen – müssen die Parteien auch 50 Prozent Frauen auf ihren Listen haben, dürfen sie jedoch auf die aussichtslosen hinteren Plätze verdammen. Parteien, die diese Regelung mit mehr als zwei Prozent missachteten, würden zur Strafe weniger öffentliche Gelder bekommen.

Die französische Öffentlichkeit war an der Debatte nicht interessiert. Nicht einmal die Feministinnen. Bei einer großen Frauendemo am 15. Januar in Paris war das Gleichstellungsgesetz kein Thema. Stattdessen verlangten die DemonstrantInnen gleichen Lohn für gleiche Arbeit, skandierten Slogans gegen den Zwang zur schlecht bezahlten Teilzeitarbeit und verlangten, dass der Staat endlich eine ausreichende Infrastruktur zur Abtreibung schaffe. Denn 25 Jahre nachdem Abtreibung nicht mehr unter Strafe gestellt wird, müssen immer noch alljährlich 5.000 Französinnen zum Abtreiben ins Ausland reisen.

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