: Bruder Abdurrahman geht auf Reisen
Indonesiens Präsident will in Europa und Asien das Bild seines von Konflikten zerrissenen Landes reparieren. Leicht wird das nicht
Jakarta (taz) – Als Präsidenten, der „verrückt nach dem Reisen ist“, bezeichnet sich Indonesiens Regierungschef Abdurrahman Wahid gern. Zum fünften Mal in seiner dreimonatigen Amtszeit geht er heute auf eine ausgedehnte Auslandstour. Innerhalb von 15 Tagen will er zwölf Länder in Europa und Asien besuchen, am 3. und 4. Februar auch Deutschland.
Ziel der Reise sei es, das durchschwere Unruhen in mehreren Teilen des Landes angeschlagene Bild Indonesiens im Ausland zu reparieren, sagte sein Außenminister Alwi Shahib gestern. Außerdem wolle der Präsident um dringend ersehnte Investoren werben.
Obwohl Wahid für seine Gabe berühmt ist, selbst in schwierigster Lage gute Laune zu verbreiten, wird er sich sehr anstrengen müssen: Denn ein Ende der schweren Konflikte, die Indonesiens Randregionen derzeit erschüttern, ist nicht in Sicht.
Zwar hatte Wahid nach seiner Reise in die rebellische Provinz Aceh in dieser Woche optimistisch erklärt, das Problem werde in „nicht allzu langer Zeit“ gelöst sein. Aber wie er das schaffen wollte, verriet er nicht. Überfälle von Militärs und verschiedenen bewaffneten Gruppen, die sich zur Unabhängigkeitsbewegung „Freies Aceh“ bekennen, haben in den letzten Monaten hunderte Menschen das Leben gekostet.
Obwohl Wahid angekündigt hatte, er werde mit Führern von „Freies Aceh“ zusammentreffen, tauchten am Dienstag zur von ihm geleiteten traditionellen Versöhnungsfeier nur einige Studenten und Militärs auf. Die Zeremonie war kaum beendet, da kam schon die Nachricht von neuem Blutvergießen: Im Norden Acehs waren vier Soldaten und drei mutmaßliche Rebellen erschossen worden.
Die einzige Geste Wahids, von der sich die Bewohner der Region eine Verbesserung ihres Lebens erwarten können, war die Wiedereröffnung eines ehemaligen Freihafens auf der Insel Sabang, der Ex-Präsident Suharto 1986 den Sonderstatus entzogen hatte. In der vergangenen Woche hatte die Regierung bereits den Anteil Acehs im neuen Staatshaushalt kräftig erhöht. Wahid wiederholte seine Andeutungen, dass der Konflikt von dunklen Kräften im Militär und von radikalen Islamisten geschürt werde, nannte jedoch keine Namen.
Ende dieses Monats sollen zudem mehrere Soldaten und Zivilisten vor Gericht gestellt werden, die im vergangenen Juli über fünfzig Menschen hingerichtet haben sollen. Das Verfahren ist allerdings umstritten, da die Richter teils aus dem Militär kommen.
Wahid versucht, den Einfluss des mächtigen Militärs in der Politik zu verringern. Er hat kürzlich ein Dekret unterzeichnet, wonach vier hohe Offiziere, die als Minister in seinem Kabinett sitzen, aus der Armee ausscheiden müssen. Dazu gehört auch Ex-Armeechef General Wiranto, dem Bürgerrechtler vorwerfen, für Menschenrechtsverletzungen in Osttimor und Aceh verantwortlich zu sein.
Auch im zweiten großen Konflikt des Landes ist die Regierung hilflos: den Unruhen auf den Molukken. Dort sind in den vergangenen Monaten tausend Menschen getötet worden. Die Jakarta Post überschüttete Vizepräsidentin Megawati Sukarnoputri in dieser Woche mit Hohn, weil sie „unfähig“ sei, die Probleme in der Region zu erkennen. Bei ihrer Reise auf mehrere der Inseln in dieser Woche hatte die Politikerin zwar Tränen vergossen. Aber konkrete Schritte zur Lösung der Probleme nannte sie nicht.
Trotz aller Kritik weiß Wahid, dass es in den Augen der meisten Indonesier keine Alternative zu seiner Regierung gibt. „Was jeder denkende Indonesier in dieser Situation nur tun kann“, schrieb die Jakarta Post, „ist, für die Gesundheit von Bruder Abdurrahman zu beten.“ Jutta Lietsch
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