: „Jetzt sind wir Jungen gefragt“
■ Der neue Finanzsenator Peter Kurth (CDU) sieht noch Sparpotenziale in Berlin. Ein Gesprächüber Haushaltskonsolidierung, schwarz-grüne Zusammenarbeit und die Zukunft der CDU
taz: Auf der Homepage der Finanzverwaltung steht noch die Bundestagsrede, in der sich Ihre Vorgängerin zum Holocaust-Mahnmal bekennt. Ist das ein politisches Signal?
Peter Kurth: Nein. Die Selbstdarstellung der Finanzverwaltung im Internet wird gerade erneuert. Ich respektiere die Entscheidung des Deutschen Bundestages, halte aber das Mahnmal, so wie es sich abzeichnet, vor allem hinsichtlich der Größenordung für problematisch.
War es ein richtiges Signal, dass der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen dem Baubeginn fern geblieben ist?
Ich nehme dem Regierenden Bürgermeister ab, dass er sich wirklich sehr ernsthaft mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Es gehört zu einer ritualhaften Rhetorik, dass man an der Teilnahme oder dem Fernbleiben gleich bestimmte Positionen festmacht.
In der Finanzpolitik wollen Sie den Sparkurs Ihrer SPD-Vorgängerin Fugmann-Heesing fortsetzen. Gibt es da überhaupt noch Potenziale?
Ja. In etlichen Bereichen geben wir überproportional mehr Geld aus als andere Bundesländer.
Wo ist Berlin überdurchschnittlich teuer?
Fast überall.
Können Sie Bereiche nennen?
Mit der Arbeitsmarktpolitik haben wir uns bereits näher befasst. Die Ergebnisse dürften auf andere Bereiche übertragbar sein. Berlin gibt für den einzelnen Arbeitslosen weit mehr Geld aus als andere Bundesländer. Wir geben mehr Geld aus, erreichen damit aber weniger Arbeitslose.
Was machen andere Länder besser?
Sie stützen sich weniger auf reine Landesprogramme, sondern greifen in größerem Umfang auf Bundesmittel zurück – ohne dass der einzelne Arbeitslose deshalb weniger Geld bekäme.
Für die öffentliche Hand wird es unterm Strich aber gleich teuer.
Nicht unbedingt. Im Vergleich zu Landesprogrammen gelten bei der Bundesanstalt für Arbeit strengere Kriterien. Damit lässt sich das Anspruchsniveau drücken.
In den Koalitionsverhandlungen hat die CDU durchgesetzt, dass eine Senkung der Gewerbesteuer geprüft wird. Das lässt sich mit dem Ziel der Haushaltssanierung kaum vereinbaren.
Zur Konsolidierung des Landeshaushalts wird es nicht genügen, die Ausgaben zu reduzieren. Der finanzielle Spielraum muss in einem zweiten Schritt auch zur Verbesserung der Rahmenbedingungen eingesetzt werden, zu denen die Steuerlast gehört. Der Zusammenhang zwischen Wirtschaftsentwicklung und Steueraufkommen ist unbestritten.
Bei der „Kanzler-U-Bahn“ hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung festgestellt, dass der prognostizierte Bedarf das Projekt nicht rechtfertigt.
Selbstverständlich muss eine Entscheidung für den Bau der „Kanzler-U-Bahn“ von den dann noch gültigen Bedarfszahlen gedeckt sein. Wenn das nicht mehr der Fall ist, muss man diese Maßnahme überdenken.
Herr Landowsky hat wiederholt eine höhere Neuverschuldung gefordert. Wird er solche Vorstöße künftig unterlassen?
Die wesentlichen finanzpolitischen Entscheidungen sind in der Koalition gemeinsam getroffen worden. Die öffentliche Diskussion darüber war oft wenig sinnvoll. Eine höhere Verschuldung ist in der auch von Herrn Landowsky unterschriebenen Koalitionsvereinbarung nicht enthalten.
Wirft die anstehende Neuverhandlung des Länderfinanzausgleichs nicht ohnehin Ihr Ziel über den Haufen, die Neuverschuldung bis 2009 auf null zu reduzieren?
Unvertretbare Einbußen würden auch den Erfolg des Konsolidierungskurses gefährden. Aber ich rechne damit, dass sich eine gesamtstaatliche Verantwortung durchsetzt.
Warum sollten die anderen Länder zahlen, wenn Berlin in nahezu allen Bereichen mehr Geld ausgibt als sie selbst?
Es wird dort auch sehr genau wahrgenommen, welche Erfolge unsere Konsolidierungspolitik bereits erreicht hat. Wir müssen aber weiter durch nachvollziehbare Anstrengungen deutlich machen, dass wir nicht Kostgänger anderer sein wollen.
Muss der Bund mehr als bisher in die Bresche springen?
Was der Bund bisher für die Hauptstadtkultur zugesagt hat, genügt für eine angemessene Beteiligung an den Sonderbelastungen Berlins nicht – im Bereich der Inneren Sicherheit, des Verkehrs- oder der Infrastruktur im Regierungsbezirk.
Herr Kurth, geht es in der Haushaltspolitik wirklich nur um rationale Argumente – oder stehen sich nicht zwei Weltanschauungen gegenüber: einerseits eine Politikergeneration, die mit der Ausgabenpolitik der Siebzigerjahre sozialisiert wurde, andererseits eine jüngere Generation, die unter dem Schlagwort der Nachhaltigkeit für eine sparsame Haushaltsführung plädiert?
Viele jüngere Politiker aus allen Parteien erkennen, dass sie heute die Voraussetzung für politische Handlungsfähigkeit in den nächsten 10, 20 oder 30 Jahren legen. Schon heute zahlen wir 25 Prozent unserer Steuereinnahmen für Zinsen. Dass da jüngere Politiker unruhiger werden als Politiker, die am Ende ihrer politischen Laufbahn stehen, ist selbstverständlich.
Die Grünen haben sich diesem Thema schon sehr viel früher zugewandt als die SPD. Sehen Sie Ansätze für eine schwarz-grüne Zusammenarbeit?
Ich glaube, dass sich die Politik ohnehin entideologisiert. Diese Entwicklung sehe ich bei den Grünen und auch bei der CDU. Es wird in Sachfragen und auf Bezirksebene eine größere Zusammenarbeit geben. Wenn man zum Beispiel gemeinsam einen Bezirksbürgermeister wählt, dann ist das eine gute Voraussetzung dafür, dass auch weitergehende Perspektiven möglich sind. So etwas muss sich von unten entwickeln.
Wo liegen die Berührungspunkte?
In der Finanz-, Wirtschafts- oder Kulturpolitik. Besonders wenig in der Innenpolitik.
Von den vier CDU-Senatoren haben bereits drei Sympathien für Schwarz-Grün erkennen lassen. Welche Widerstände verhindern, dass dieses Modell zum Durchbruch kommt?
Alle Senatoren arbeiten auf der Basis der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD. Dass es in anderen Großstädten weitergehende Kooperationsmodelle gegeben hat, liegt an der gemeinsamen Verzweiflung über die dortige SPD, die etwa im Ruhrgebiet Grüne und CDU vereint hat. Diese Situation ist in Berlin nicht gegeben.
Es gibt keinen Grund zur Verzweiflung über die SPD?
Es gibt keinen für die Grünen und für die CDU gemeinsamen Grund.
Sie verzweifeln lieber getrennt. Fragen wir also ganz abstrakt: Welche Vorteile könnte – rein theoretisch – ein schwarz-grünes Bündnis haben?
Jeder ernsthafte Dialog zwischen Grünen und CDU würde beide Seiten dazu zwingen, die eigene Politik kritisch zu überdenken. In allen Parteien gibt es ein hohes Maß an Rhetorik und Ritualen. Bei einer großen Koalition oder einem Zusammengehen von SPD und Grünen sind oft viele Verbalkompromisse dabei. Die würde es zwischen CDU und Grünen nicht geben.
Warum sind Sie mit 17 Jahren in die CDU eingetreten?
Wegen der Schulpolitik in Nordrhein-Westfalen. Ich habe mich damals an dem Volksbegehren gegen die Kooperative Schule beteiligt, das war eines der ganz wenigen erfolgreichen Volksbegehren in der Bundesrepublik. Das war wirklich eine starke Sache.
Tritt man deswegen gleich in eine Partei ein?
Die CDU war damals eine interessante und attraktive Partei. Damals haben Leute wie Geißler und Biedenkopf das öffentliche Erscheinungsbild geprägt. Dazu noch ein dynamischer Vorsitzender, erfolgreicher Ministerpräsident aus Rheinland-Pfalz.
Wie bewerten Sie die Spendenpraxis dieses Parteivorsitzenden Helmut Kohl?
Was aus dem Landesverband Hessen und von Teilen der Bundesebene bekannt geworden ist, ist ein Verstoß gegen geltendes Recht und daher nicht zu akzeptieren.
Hatten Sie sich schon vorher von Kohl gelöst?
Es bestreitet kein Mensch die historischen Verdienste von Helmut Kohl, insbesondere im Zusammenhang mit dem europäischen Einigungsprozess und der deutschen Wiedervereinigung. Das ist seine Leistung. Jetzt sind wir Jungen gefragt.
Beschleunigt die Spendenaffäre den Generationswechsel in der CDU?
Wenn die Aufklärung abgeschlossen ist und die fälligen Konsequenzen gezogen sind, ist die CDU eine andere Partei als vorher.
Eine bessere?
Keine schlechtere.
Wird das auch auf die Berliner CDU ausstrahlen?
Wir werden unter anderem zu diskutieren haben, welche Konsequenzen hinsichtlich der Begrenzung von Mandatszeiten gezogen werden, möglicherweise auch, wie die Finanzierung von Parteien neu geregelt wird. Das hat dann auch Auswirkungen auf Berlin.
Was für Karrierepläne hat man noch, wenn man mit 39 Jahren Finanzsenator wird?
Meine Karriereplanung bezieht sich auf die nächsten fünf Jahre.
Halten Sie es für denkbar, dass die CDU einmal mit einem schwulen Spitzenkandidaten in den Wahlkampf zieht?
Warum nicht? Bei uns zählt Leistung.
Interview: Ralph Bollmann und Dorothee Winden
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