piwik no script img

„Keine Abgeordneten in die Parteispitze!“

■ Die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Angelika Albrecht, über Ämterhäufung, Männerdominanz und die grüne Strukturreform

taz: Im Vorstand Ihrer grünen Partei sollen künftig Politiker sitzen dürfen, die ein Parlamentsmandat innehaben. Sie sind als einzige Vorständlerin gegen diese Reform. Wieso eigentlich?

Angelika Albrecht: Vor allem, weil das zu einem Zwei-Klassen-Vorstand führt. Die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger werden im Vordergrund stehen, die anderen werden nicht wahrgenommen.

Auch der Bundesfrauenrat will die Trennung beibehalten. Schadet die Ämterhäufung den Frauen?

Ja, denn Frauen haben dannnicht zwei, sondern vier Jobs: Parteivorstand, Parlamentarierin, Mutter und Hausfrau. Welche Frau soll da noch für Spitzenpositionen zur Verfügung stehen? Außerdem muss die Partei über die Tagespolitik hinausdenken und Visionen entwickeln. Sie muss weiter sein, als es vielleicht ein Regierungsmitglied vertreten kann.

Vielleicht würden in einem gemeinsamen Vorstand auch die Mandatsträger mal etwas von den Visionen der Partei erfahren?

Aber die Verzahnung muss nicht im Vorstand geschehen. Dafür gibt es andere Gremien, zum Beispiel das künftige Präsidium.

Die Kreisverbände wären wohl ganz glücklich, wenn grüne Parlamentarier endlich auch Parteiämter übernehmen könnten – das spärliche Führungspersonal wäre effektiver eingesetzt.

Ob die Kreisverbände da glücklich wären, weiß ich nicht, das wird der Parteitag zeigen. Ansonsten gibt es kein eingeschränktes Personaltableau. Die Kandidaten Renate Künast und Fritz Kuhn könnten die Mandate in ihren Landtagen zurückgeben – und dann Parteisprecherin und -sprecher werden.

Halten Sie das für realistisch?

Ich halte es auch nicht für realistisch, dass man diese ganzen Funktionen unter einen Hut bringt.

Vorsitzende anderer Parteien können das auch.

Deshalb gibt es auch sonst keine Frauen als Parteivorsitzende in Deutschland. Und welche Folgen hat diese Häufung? Sie führt im Zweifelsfall zu Verflechtungen, deren unschöne Konsequenzen wir gerade bewundern können. Wenn man die Verzahnung über das Präsidium schafft, dann passiert das in einem Gremium und nicht in einer Person, das ist sinnvoller. Wenn man Strukturen so gestaltet, dass sie Machtanhäufung verhindern, dann ist man nicht auf den guten Willen der Handelnden angewiesen.

Die jetzigen Sprecherinnen werden allgemein als schwach wahrgenommen. Liegt das am Amt oder an den Personen?

Das liegt vor allem daran, was von wem lanciert wird. Beide bewegen sich erst kurze Zeit auf der Bundesebene, und ich denke, dafür machen sie das sehr gut.

Es liegt also an den Personen?

Natürlich liegt es auch am Amt, aber was hat der Wunsch nach der Anhäufung von Macht für Konsequenzen? Das ist ja auch der Ruf nach dem „starken Mann“ oder der „starken Frau“. Und den halte ich für bedenklich.

Lieben die Grünen keine durchsetzungsfähigen Menschen?

Ich finde es gut, wenn Strukturen eine Entwicklung, wie sie die CDU jetzt gemacht hat, ausschließen. Das ist nicht bloß Misstrauenskultur, sondern das ist sehr weise überlegt.

Glauben Sie, dass ein ähnliches Demokratiedefizit bei den Grünen möglich wäre wie bei der CDU? Das System Kohl basierte ja darauf, dass niemand nachgefragt hat.

Wenn wir 16 Jahre an der Regierung wären, wären auch wir nicht davor gefeit. Wir sind nicht die besseren Menschen.

Kerstin Müller hat vorgeschlagen, nur einfache Abgeordnete in Parteiämter wählen zu lassen. Dann gäbe es keine Verflechtung an der Spitze.

Dann kann man es gleich lassen. Sonst gibt es nämlich die Machtfülle nicht, die da gerade angestrebt wird.

Der Bundesfrauenrat wird sich am Wochenende wieder gegen die Vereinbarkeit von Amt und Mandat aussprechen. Wie wird der Parteitag entscheiden?

Der Bundesfrauenrat spiegelt im Gegensatz zum Länderrat, der ja eher ein Funktionärsgremium ist, die Stimmungslage der Basis wider. Insofern liegen die Beschlüsse von Bundesfrauenrat und Parteitag oft nicht weit voneinander entfernt.

Interview: Heide Oestreich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen