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Auch in Kärnten sind nicht alle Aparthaider

Sogar in Jörg Haiders Stammland sammelten sich seine Gegner. Was seine Stärke ausmacht, wissen allerdings auch sie nur schwer zu sagen. Vielleicht ist es das Beharren auf Gemütlichkeit

Die Stimmung ist aufgekratzt. 2.000 Linke kommen ineiner Stadt wie Klagenfurtnicht jeden Tag zusammen.

Die Sonne scheint über Gerechte wie Ungerechte. Und diemal, an einem wunderschönen Samstagmorgen auf dem Neuen Platz im österreichischen Klagenfurt, hat sie anständigerweise die Gerechten belohnt. Zweitausend von ihnen haben sich in einem ordentlichen Halbkreis vor dem Rathaus aufgebaut, um gegen „Schwarz-Blau“ zu demonstrieren und anschließend ihre Delegation zur Wiener Großdemo zum Bahnhof zu begleiten. Viele haben sich das Autokennzeichen A auf die Brust geheftet, auf dem versichert wird: „Ich habe nicht für Haider gestimmt.“ Will sagen: Nicht alle Kärtner sind Aparthaider.

Klagenfurt, im Gegensatz zum roten Villach von einer schwarz-blauen Koalition regiert, verfügt über ein paar Tausend Studenten und noch weit mehr Arbeitslose. Was sich hier am Samstag versammelt hat, stellt im Wesentlichen eine buntscheckige Koalition dieser beiden Gruppen dar. Der allgegenwärtige reaktionäre Kärtner Heimatbund lässt sich nicht blicken, und auch die „blauen“ Haiders unternehmen keine Störungsversuche. Aber der Schein trügt. Eben bittet eine junge Kundgebungsteilnehmerin eine ältere Verwandte, ja nichts ihrer Mama zu erzählen: „Die schlagt mi.“ Und ein paar kroatische Slowenen müssen sich anhören. „Eich miast ma an die Jugos verkaufa.“

Dennoch ist die Stimmung aufgekratzt. 2.000 Linke kommen hier nicht jeden Tag zusammen.

Hier ist Haider kein abstraktes Schreckgespenst, sondern höchst gegenwärtig. Eigentlich ist er, so wird heimatbewusst vermerkt, überhaupt kein Kärtner, sondern Oberösterreicher. Er hat im Bärental 1.600 Hektar geerbt, sodass die in Wien ausgerufene Parole „Haider zurück ins Bärental!“ eigentlich irreführend ist. Der Grundbesitz wurde in der Nazizeit arisiert. Rückforderungsverfahren hat die Haider-Familie überstanden, aber jetzt droht aufs Neue eine Klage der jüdischen Erben. In Haiders Bärental hat man es auch mit der illegalen Beschäftigung von Ausländern nicht so genau genommen. Da ist der um einheimische Arbeitsplätze so besorgte Haider gerade noch mal durch die Gesetzesmaschen geschlüpft, berichten erboste Gewerkschafter.

Was hat sich unter Haider in Klagenfurt verändert? „Der Jörgl“ ist raffiniert, heißt es. Er pickt sich stets Einzelne heraus, die er abzuschießen versucht. Da ist der Maler Cornelius Kolig, der die von seinem Vater im Klagenfurter Landtag gemalten und von den Nazis zerstörten Fresken wiederhergestellt und zeitkritisch ergänzt hat. „Der Cornelius“ ist auch Aktionskünstler, einmal war Scheiße als Material im Spiel. Ein gefundenes Fressen für eine (letztlich erfolglose) Haider-Kampagne.

Haider ist stolz auf die Minderheitenpolitik in Kärnten, aber die slowenischen Teilnehmer der Kundgebung sehen das ganz anders. Es besteht die Gefahr, dass die Direktoren der ethnisch gemischten Grundschulen im südlichen Kärnten nicht mehr zweisprachig sein müssen. Die Redner der Minderheit auf der Kundgebung, von österreichischen Partisanen in Titos Armee bis zu jungen Geschäftsleuten, begnügen sich nicht damit, für ihre Rechte zu kämpfen. Sie prangern auch den Rassismus gegenüber den Tschutschen, den türkischen Arbeitsmigranten, an und nehmen die Schwarzen, nach Haiders Meinung allesamt Drogendealer, in Schutz.

Was macht das Geheimnis Haiders aus? Diese Frage, auf der Zugfahrt nach Wien gestellt, hinterlässt Ratlosigkeit. Eine Studentin stellt auf seine Anpassungsfähigkeit ab. Nach ihrer Ansicht versteht es Haider virtuos, sich dem Habitus der Gruppe anzupassen, um die es ihm gerade geht. Immer ist er der Nonkonformist, der gegen die versteinerten Verhältnisse angeht.

Eine alte Genossin aus dem Lavanttal wirft ein überraschendes Argument ein. Was Haider sagt, sei nicht einfach falsch. Er nehme berechtigte Kritik auf, um sie dann abzubiegen. So geschehen mit den Angriffen auf den rot-schwarzen Koalitionssumpf.

Aber wie dann Haider „entzaubern“? Im Kärtner Wahlkampf hat er jeder Mutter eines Kindes bis zu sechs Jahren 700 Mark als monatliche Erziehungsbeihilfe versprochen. Nach der Wahl kam nichts, aber geschadet hat das „dem Jörgl“ wenig.

Vielleicht ist es so, dass er „den Massen zum Ausdruck verhilft, aber nicht zu ihrem Recht“ (Walter Benjamin über Faschismus). Aber vielleicht geht es auch nur um Gemütlichkeit und Angst vor Streit. Kurz bevor der Zug in Wien einrollt, erzählt eine ältere Aktivistin, der Haider sei bei den Friedhofsarbeitern in Klagenfurt aufgekreuzt, einer angestammten Organisationsdomäne der „Roten“. Als er ein „Tragerl“ Bier anschleppte, um mit den Kollegen anzustoßen, habe nur einer von zwanzig das Angebot abgelehnt.

Christian Semler, Klagenfurt

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