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„Es ist Sisyphos-Arbeit“

■ SPD-Fraktionvize Ulla Schmidt kritisiert den Entwurf von Familienministerin Bergmann zum Erziehungsurlaub als zu bescheiden. Die Freibeträge für Eltern müssten drastisch erhöht werden

taz: Von Ihnen ist herbe Kritik am Regierungsentwurf zum Erziehungsurlaub zu hören. Was muss konkret geändert werden?

Ulla Schmidt: Grundsätzlich ist das Elternurlaubsgesetz positiv, weil es die partnerschaftliche Arbeitsteilung ernst nimmt. Meine Kritik bezieht sich auf die Veränderung der Einkommensgrenzen. Ich möchte, dass wieder mehr Eltern den Anspruch auf Erziehungsgeld erhalten, besonders diejenigen, die mehr als ein Kind haben. Wir hatten uns in den Fraktionen geeinigt, dass die Freibeträge zur Berechnung des Erziehungsgeldes drastisch erhöht werden müssen.

Was heißt drastisch?

Von heute 4.200 auf 7.000 Mark. Die 4.800 Mark des jetzigen Entwurfs bringen zu wenig. Früher haben 83 Prozent der Eltern Erziehungsgeld erhalten, heute sind es nur noch 50 Prozent, weil der Freibetrag seit 1986 nicht erhöht wurde. Angesichts der knappen Finanzlage war unser Kompromissangebot, das Budget umzuverteilen und nicht zu erhöhen.

Wo hätte Frauen- und Familienministerin Christine Bergmann statt dessen sparen sollen?

Die politische Frage ist natürlich, wo nicht gespart werden soll. Und in den Koalitionsverhandlungen haben wir uns darauf geeinigt, dass beim Erziehungsurlaub nicht gespart wird.

Es ist nicht das erste Mal, dass Christine Bergmann kritisiert wird, weil sie Vorgaben aus den rot-grünen Koalitionsverhandlungen nur stark abgespeckt auf den Weg bringt – ist sie zu bescheiden?

Ich glaube, sie hat einen harten Job. Mit der Frauenpolitik kann man auch kaum Lorbeeren ernten. Ich kann der Ministerin nur anbieten: Die Fraktionen stehen hinter der Forderung, und dann muss man gemeinsam streiten.

Das klingt enttäuscht. Streitet Ministerin Bergmann zu wenig?

Ich möchte sie nicht kritisieren, dafür mag ich sie viel zu gerne. Ich möchte sie stärken und sagen: Sie hat uns, die Fraktionen, im Rükken. Ich sehe doch selber, dass es Sisyphos-Arbeit ist.

Setzen Sie sich dafür eins, dass der Entwurf geändert wird, bevor er ins Kabinett geht?

Ich melde auf jeden Fall meine Bedenken an. In der nächsten Sitzungswoche werden wir gemeinsam mit der Frauenministerin und dem Finanzminister darüber beraten müssen, ob der Gesetzentwurf im Bereich der Kinderfreibeträge verändert wird. Klar ist, dass wir dringend das Elternurlaubsgesetz brauchen und alles daran setzen müssen, damit es zügig verabschiedet wird.

Interview: Heide Oestreich

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