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Besuch auf schwierigem Terrain

Ein gewandelter Iran mit gestärkten demokratischen Strukturen setzt große Hoffnungen in den Besuch des deutschen Außenministers

von THOMAS DREGER

Joschka Fischer tritt bei seinem Antrittsbesuch in Teheran in die Fußstapfen von Hans-Dietrich Genscher. Der besuchte 1984 als erster hochrangiger westlicher Politiker die Islamische Republik. Im westlichen Ausland löste das Entsetzen aus. Da schickten Revolutionsrichter tausende Abweichler nach Schauprozessen auf das Schafott, da zeterte ein greiser Ajatollah gegen alles Westliche, und der außenpolitische Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland schüttelte den dafür Verantwortlichen die Hände und ebnete das Terrain für Geschäfte.

Doch heute ist Iran auf dem Weg zu einer möglicherweise grundlegenden Veränderung. 77 Prozent der WählerInnen stimmten bei Präsidentschaftswahlen vor knapp drei Jahren überraschend für den Reformkandidaten Mohammad Chatami. Bei den Parlamentswahlen errang das Reformlager einen Erdrutschsieg. Der von Revolutionsführer Ajatollah Chomeini als Theokratie geplante Staat hat inzwischen weit mehr demokratische Elemente als die meisten Despotien der Region. Eine Demokratie ist er jedoch noch lange nicht.

Irans Präsident will eine Normalisierung des Verhältnisses zum westlichen Ausland, sogar zu dem „großen Satan“ USA. Viele seiner Wähler wollen weit mehr. Wer heute als westlicher Ausländer nach Teheran kommt, wird als Symbol der Hoffnung für eine radikale Öffnung des Landes gesehen . Westliche Politiker und Geschäftsleute haben das längst erkannt. Chatami wurde im vergangenen Jahr in Rom und Paris hofiert. Andere europäische Staatsoberhäupter waren bereits in Teheran, von Wirtschaftsdelegationen – sogar als Touristengruppen getarnte US-Amerikaner – ganz zu schweigen.

Dass Fischer mit seinem Besuch solange warten musste, liegt am Fall des deutschen Geschäftsmannes Helmut Hofer, der nach mehr als zweijähriger Haft in Teheran erst Anfang des Jahres freikam. Ein Zweck der Reise ist, den für April geplanten Besuch Chatamis in Berlin vorzubereiten.

Der hat seinen eigenen Staat noch nicht im Griff. Wichtige Institutionen wie der Justizapparat und der Geheimdienst sind fest im Griff der Reformgegner. Im Land verschwinden noch immer Regimekritiker oder werden von Schlägertrupps der „Anhänger der Partei Gottes“ (Ansar-e Hisbullah) krankenhausreif geschlagen. Noch immer müssen religiöse Minderheiten wie die als „gottlos“ geächteten Bahai damit rechnen, nur wegen ihres Glaubens hingerichtet zu werden. Und noch immer besteht die Gefahr, dass die Konservativen Chatami stürzen. Dass würde wohl einen Volksaufstand auslösen.

Viele frühere Anhänger Chomeinis haben sich jedoch den Reformern angeschlossen. Einige davon sind Wendehälse wie der einstige „Blutrichter“ Sadik Chalchali. Andere sind glaubwürdig gereift, wie der frühere Besetzer der Teheraner US-Botschaft und heutige Publizist Akbar Gandschi. Heute fordert er für Iran eine Wahrheitskommission nach südafrikanischem Vorbild. Hintergrund sind die Morde an Regimekritikern durch den Geheimdienst in den letzten Jahren. Wer in Teheran Hände schüttelt oder Verträge unterschreibt, sollte bedenken: Gesprächspartner von heute könnten Angeklagte von morgen sein.

Mit großen Hoffnungen wird Fischers Reise von weiten Teilen der iranischen Bevölkerung verbunden. Dabei hat die deutsche Iran-Politik eine finstere Tradition. Man kungelte mit den jeweiligen Regimen – zum Leidwesen der Bevölkerung.

Seit den 60ern durfte Iran als einziger Staat des Nahen Ostens das Sturmgewehr G 3 von Heckler & Koch in Lizenz bauen. Die damals bundeseigene Firma Fritz Werner Industrieausrüstungen GmbH war Hoflieferant für die Munitionsfabriken des Schahs. Iranische Geheimdienstler des berüchtigten Savak wurden vom Bundesnachrichtendienst in Deutschland geschult.

1967 erlaubte es die Bundesregierung, dass der Schah und seine Frau Farah Diba zum Staatsbesuch nach Berlin hunderte „Jubelperser“ mitbrachten. Mit Stangen ausgerüstet, droschen sie am 2. Juni auf Demonstranten ein, die gegen den Diktator protestierten.

1979 kam die Zäsur: die Islamische Revolution. Doch während die Weltgemeinschaft den Gottesstaat ächtete, taten deutsche Geschäftsleute und Politiker ihr Bestes, die Verbindungen nicht abreißen zu lassen.

Legal und illegal. So unterschrieben die Kraftwerksunion (KWU) und Iran 1982 einen geheimen Vertrag, den zu Schah-Zeiten begonnen Atommeiler Buscher weiterzubauen, falls die KWU die dafür nötigen Ausfuhrgenehmigungen bekäme. Das war nicht der Fall. Zu groß war die internationale Sorge, der Meiler könne den Grundstoff für eine „islamische Atombombe“ liefern. Dennoch wurde in Buscher weitergebaut. Als im November 1987 irakische Kampfflugzeuge die Baustelle bombardierten, war unter den Opfern auch ein deutscher Ingenieur.

Auch alte Geheimdienstkontakte wurden wieder aktiviert. 1993 empfing der damals für die Koordinierung der deutschen Geheimdienste zuständige Kanzleramtsminister Bernd Schmidbauerer Teherans Geheimdienstminister Ali Fallahian in Bonn. Obwohl ein Jahr zuvor iranische Geheimdienstler in dem Berliner Restaurant „Mykonos“ vier oppositionelle iranische Kurden niedergemetzelt hatten. Kurz nach Fallahians Besuch sollte der Prozess beginnen. Am Ende des Verfahrens bescheinigte das Berliner Kammergericht Fallahian samt der iranischen Staatsführung, dass sie den Anschlag in Auftrag gegeben hatten. Das deutsch-iranische Verhältnis gelangte damit an seinen Tiefpunkt. Zahlreiche iranische Agenten wurden aus Deutschland ausgewiesen.

Doch knapp drei Jahre nach der Urteilsverkündung sind etliche von ihnen wieder zurückgekehrt. Nach Angaben des Verfassungsschutzes sind sie weiterhin damit beschäftigt, hier lebende iranische Oppositionelle auszuspähen. Bei Fischers Reise werden diese Aktivitäten kein Thema sein. Schließlich heißt es aus seinem Haus, man solle „die Ansprüche nicht zu hoch setzen“. Schließlich handele es sich bei dem Besuch um „Sondierungen auf schwierigem Gelände“.

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