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Metropolen auf dem Tandem

Sowohl Hamburg als auch Berlin setzen mit Macht auf die Multimedia-Branche – seit Januar auch gemeinsam.Die Unternehmerinitiative „Medientandem“ soll unter Beteiligung der Handelskammern die beiden Städte vernetzen

von CHRISTOPH RASCH

In der norddeutschen Tiefebene drängeln sich hochfliegende Pläne der Multimedia-Branche. Mit geschätzten 500 Unternehmen ist Hamburg noch immer ihr beliebtester deutscher Standort – auch Berlin allerdings wartet inzwischen mit rund 200 Betrieben auf. Folge des Booms: In den beiden Städten fehlen zusammen rund 10.000 Fachleute für Informationstechnologie (IT) und Multimedia. „Das Wachstum dieser Zukunftsindustrien“, so Bernd Schiphorst, Vorstandsmitglied von Bertelsmann Multimedia, „droht momentan im Flaschenhals der Qualifikation stecken zu bleiben“.

Ausgerechnet die als konservativ verschrieenen Handelskammern helfen den Medienmetropolen nun auf die Sprünge – und auf einen Drahtesel der besonderen Art: Ende Januar setzte man die Unterschriften unter den Gründungsvertrag des „Medientandems Berlin-Hamburg“. Mehr Kooperation, weniger Konkurrenz und eine Bündelung der Kräfte, hieß die Losung, mit der man den Arbeitsmarkt leistungsfähig und den Standort präsentabel halten wollte.

Weit gekommen ist das Vehikel bislang nicht. Selbst das virtuelle Forum der Initiative (www.medientandem.de) bietet bisher kaum mehr als eine Dokumentation seiner eigenen Entstehung. Das soll jetzt anders werden: „Die informelle Aufbauphase wird bald abgeschlossen sein, dann wird über konkrete Projekte verhandelt“, berichtet Ulrich Schmid, einer der Verantwortlichen bei der Berliner IHK. Auch die Berliner Consultingfirma PSI sitzt mit am Tisch, wenn man in den kommenden Wochen über konkrete Vorhaben brütet. Sechs Themenfelder wurden entwickelt: von Ausbildungsrichtlinien für Medienberufe bis zur Standort-PR.

Auf der Ideenliste ganz oben stehen die Info-Veranstaltungen. Ein wechselseitiger Medienkongress in Hanse- und Hauptstadt soll noch in diesem Jahr initiiert werden, ebenso wie ein gemeinsamer Branchen-Show-Room, eine „Art Info-Box für die IT- und Multimediabranche“, berichtet Schmid. Auf derartigen Spielwiesen für Gründer und angehende Multimedia-Arbeiter „sollen die jeweils modernsten Medien- und Informationstechnologien präsentiert und erfahrbar werden und dadurch das Wissen über innovative Medientechnologien sowie die allgemeine Medienkompetenz gefördert werden“, wünscht sich Thomas Heilmann, Vorsitzender des IHK-Arbeitskreises Medienwirtschaft. Heilmann, der gleichzeitig Geschäftsführer der Werbeagentur Scholz & Friends und Schöpfer des „Tandem“-Terminus ist, ist sich sicher: „Diese Kooperation stärkt auch die Stellung von Berlin.“

Zu einem späteren Zeitpunkt soll auch Brandenburg mit einbezogen werden. Fernziel ist ein internationales Netzwerk der Städte und Regionen. Neben gemeinsamen Info-Kampagnen sollen die betrieblichen und (hoch-) schulischen Ausbildungspotenziale besser aufeinander abgestimmt werden. „Es ist ja nicht so, dass es zu wenige Bildungsangebote gibt“, meint IHK-Mann Schmid, „die Ausbildungslandschaft ist einfach zu unübersichtlich. Die angebotenen Kurse, Seminare und Studiengänge sollten sich ergänzen – das macht mehr Sinn als ein Doppelangebot“.

Gemeinsam treten, und dabei in dieselbe Richtung lenken. Die Tandem-Idee liegt im Trend. Auch im öffentlich-politischen Medienbetrieb verhandelt man über Kooperationen. So diskutieren etwa die beiden Landesmedienanstalten über die Einrichtung eines gemeinsamen Filmfonds. „Subventionen wie in der Filmwirtschaft sind jedoch kein Mittel, die Medienlandschaft dauerhaft zu stärken“, meint Martin Willich, Vizepräsident der Hamburger Handelskammer auch in Hinblick auf stärker geförderte Konkurrenzstandorte wie in Nordrhein-Westfalen. Das Berlin-Hamburger Medientandem durften die Handelskammern zwar anschieben; entworfen, gesteuert und finanziert werden die Maßnahmen letztlich von den teilnehmenden Firmen. Das Medientandem ist eine Unternehmerinitiative. Doch die IHKs sind froh, immerhin auf dem Tandem-Sozius Platz nehmen zu dürfen. Bei bisherigen Initiativen der Multimedia-Branche waren die Kammern oft außen vor geblieben, zuletzt im vergangenen Dezember beim Zusammenschluss von 70 Firmen unter dem Dach des Bildungswerks der Wirtschaft in Berlin und Brandenburg (bbw). Zu starr habe sich das deutsche Ausbildungssystem bislang gegenüber einer Branche gezeigt, in der Flexibilität, soziale Kompetenz und Schlüsselqualifikationen wie Kommunikationsfähigkeit den Vorzug vor formalen Abschlüssen und Diplomen genießen.

Diesmal sollen alle Institutionen gemeinsam in die Pedale treten. Auch mit staatlichen Stellen, etwa den Landesmedienanstalten, will die Elbe-Spree-Connection eng zusammenarbeiten. Und auch einige Senatoren sind dabei; geht es doch auch um die politische Koordination der Bildungsangebote etwa im Schul- und Hochschulbereich.

Entsprechende vom Berliner Senat begleitete Initiativen wie das „Projekt Zukunft“ laufen bereits. In Hamburg hat die Hochschullandschaft mit der Einrichtung des Studiengangs „Medienbetriebswirt“ an der Wirtschaftsakademie einen Schritt hin zu einem geregelten Ausbildungsmodell getan. Dieses Modell soll auch in Berlin Schule machen. Hier wiederum tun sich bereits jetzt neue Möglichkeiten auf. Die Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft konnte etwa für ihre Multimedia- und Virtual-Design-Bildungsprojekte die EU als Förderpartner gewinnen und baut ihr Angebot aus. Und die Hochschule der Künste erweiterte sich kürzlich um das „Institut für zeitbasierte Medien“. Klassische und moderne Disziplinen werden im Haus an der Grunewaldstraße gebündelt; „HdK goes Multimedia“ heißt die auch an Investoren gerichtete frohe Botschaft. Bereits jetzt wird eine Professur für multimediale Kunst von der Deutschen Bank 24 gesponsert.

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