: Wenn die Bullen Flügel tragen
■ Im Kampf gegen die Umweltverschmutzung setzt die niedersächsische Polizei Helikopter ein. Mangels Geld sind das aber noch viel zu wenige, meinen die Polizisten
an sitzt wie vor der Glotze. Zieht einer am Hebel. Hebst du ab. Wie im Lehnstuhl ratterst du über Bremerhaven. Das Wetter spielt mit, Gott sei Dank, Teufel auch! Der Containerterminal sieht aus gut 500 Metern Höhe aus, wie die schmuddelige Garagenanlage eines Gebrauchtwagenhändlers. „Als wir vor knapp 20 Jahren mit den Flügen anfingen, da konnte man hier im Hafen vor lauter Öl kein Wasser sehen“, erklärt Hubschrauberpilot Horst Schiller. Heute sieht man das Wasser. Aber die Schwermetalle und das Hormongift Tributylzinn bleiben unsichtbar.
Horst Schiller, Helikopterpilot der Niedersächsischen Polizeihubschrauberstaffel, zählt zu den alten Hasen der in Oldenburg stationierten Einheit. Ebenso Walter Ulbrich von der Wasserschutzpolizei Wilhelmshaven, der mit dem Piloten und Bordwart Hermann Runde aus der Luft nach illegalen Schmutzeinleitungen in die Flüsse oder in die Nordsee fahndet. „Vom Schiff aus sieht man das Öl nicht, da muss man schon direkt in den Teppich reinrauschen, aber aus der Luft schillert das Öl schön bunt“, meint Ulbrich. Aber nur zweimal im Monat hat der Mann die Möglichkeit in die Luft zu gehen. Mehr Flüge gibt's nicht, es ist kein Geld da.
Diesmal schrappt der Helikopter die Hunte lang, nimmt ein Stück Weser mit, macht einen Schlenker über die Hafenanlagen von Bremerhaven, folgt dem Elbe-Weser-Schifffahrtskanal an die Elbe bis Stade. Hier sollen eilige Beweismaterialien für den Staatsanwalt abgeholt werden, Wasserproben, die neben einem Tanker auf See entnommen wurden. Die Wasserschutzpolizei behauptet, der Tanker hat illegal Öl abgelassen, der Kapitän und die Mannschaft wissen dagegen von nichts. „Die Sache war eindeutig, deswegen haben die Kollegen dem Kapitän vorsorglich ein Pfand von 10.000 Mark abgenommen. Das ist ungefähr die Buße, die der zu erwarten hat“, erklärt Walter Ulbrich. Das wäre eine satte Strafe, häufig kommen Täter, wenn sie überhaupt ermittelt werden, mit weit weniger weg.
Pro Flug erwischt die Crew in der Regel einen Deliquenten. „Das müssen nicht immer Schiffe sein“, sagt Ulbrich. „Oft sind es Fabriken an der Küste, an deren Abwasserleitung eine Schmutzfahne auf dem Wasser zu sehen ist“, so Ulbrich weiter. Oder es ist gar nur eine Dreckfahne hinter einem Ausfluss ohne dazugehörige Fabrik. „Auch schon vorgekommen, dann alamieren wir die Kollegen im Streifenwagen, die dürfen dann die Dreckschleuder suchen“, amüsiert sich der Wasserschutzpolizist. Aber auch hier muss eine erfolgreiche Fahndung nicht unbedingt in einer Verurteilung enden. Kann die Fabrik nachweisen, das ihr Dreckausstoss ein Versehen war oder konnten die Klärwerke wegen Überlastung den Ausfluss nicht aufnehmen, dann kann es sein, dass auch hier die Täter ungeschoren davonkommen.
„Brand voraus“!, meldet Bordwart Hermann Runde. Horst Schiller drückt seine Maschine tiefer, dreht über die Brandstelle in einem Wäldchen hinter einem Bauernhof, fliegt eine elegante Kurve und steuert in einer Höhe von vielleicht 300 Metern auf den Bauern neben dem Feuer zu. Der weiss nicht, ob er sich ducken oder ob er winken soll. Man sieht ihm von oben seinen Schrecken deutlich an. „Alles ok, da is nix“, ruft Pilot Schiller und dreht ab. Jetzt kommt eine Meldung, das irgendwo ein Kind verschwunden ist. Der Hubschrauber wird bei der Suche gebraucht. Der Umweltflug ist beendet.
„Eigentlich machen wir die Kontrollflüge für den Umweltschutz nur so nebenbei“, erläutert Gisbert Brande vom Oldenburger Hubschraubertower. Und weiter: „Wir brauchen die Hubschrauber für echte Polizeieinsätze, das sind Fahndungen nach flüchtigen Tätern, die Suche nach Vermissten, Beweisaufnahmen für den Staatsanwalt oder Observierungen aus der Luft, etwa bei Demonstrationen. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für den Umweltschutz.“ Ein Kollege ergänzt: „Wir müssten die Ölsuch-Flüge ausweiten. Wir überlegen sogar, regelmäßig mit einem eigenen Flugzeug die Küste zu kontrollieren, aber es ist einfach kein Geld da.“
Ein Hubschrauber ist immer in Oldenburg einsatzbereit. Zwei weitere sind im Hangar beim Sicherheitscheck. In der Zentrale in Hannover warten weitere drei Maschinen abrufbereit. Sie werden auch vom Land Bremen angefordert, Bremen hat keine Hubschrauberstaffel. Neben der Polizei in Kooperation mit der Wasserschutzpolizei tummeln sich noch der Bundesgrenzschutz und die Marine über der offenen See und suchen nebenbei mit Hubschraubern und Flugzeugen nach Öl. Auch sie haben vornehmlich andere hoheitliche Aufgaben.
Auf dem Wasser geben sich die Schiffe von Zoll, Bundesgrenzschutz, Fischereiaufsicht, Wasserschutzpolizei und Tonnenleger den Anker in die Hand. Alle haben ebenfalls ein Auge auf Umweltsünder nebenbei. „Es ist nicht damit getan, einen Ölteppich zu entdecken“, meint Walter Ulbrich von der Wasserschutzpolizei aus Wilhelmshaven. „Um die Täter dingfest machen zu können, muss intensiver gefahndet und effektiver, europaweit kooperiert werden. Als wir in deutschen Gewässern einmal einen Frachter in Verdacht hatten, illegal seine Öltanks gewaschen zu haben, baten wir französische Kollegen um Vergleichsproben. Die hatten sie vor ihrer Küste gezogen. Die Proben kamen nach über einem Jahr, abgefüllt in Whiskey-Flaschen an. Das verdächtige Schiffe war längst über alle Berge“, seufzt der Polizist.
Thomas Schumacher
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