: Zwei Frauen an der Förde
Rot-Grün Kiel macht weiter: Parteitage von SPD und Grünen stimmten für Koalitionsvertrag. Kritik an Jung-Minister Müller ■ Von Sven-Michael Veit
Schleswig-Holstein sorgt erneut für eine bundespolitische Neuerung: An der Kieler Förde werden zwei Frauen erstmals die Regierung eines Bundeslandes führen. Zur roten Ministerpräsidentin Heide Simonis, schon seit sieben Jahren Deutschlands einzige Regierungschefin, gesellt sich ihre grüne Stellvertreterin Anne Lütkes hinzu. Nach der klaren Zustimmung der beiden Parteitage der Koalitionspartner am Wochenende ist die Wahl im Landtag morgen vormittag reine Formsache.
Gestern segneten die 153 Delegierten des SPD-Parteitages in Lübeck den Koalitionsvertrag einstimmig ab. Auf dem grünen Parteitag in Rendsburg am Sonnabend lag die Zustimmung mit 72,3 Prozent sogar höher als bei der ersten rot-grünen Regierungsbildung 1996 mit lediglich 64 Prozent. Doch während bei den Sozialdemokraten eitel Sonnenschein herrschte, gab es bei den Grünen teilweise heftige Debatten.
Heide Simonis konnte dem SPD-Parteitag zufrieden verkünden, was niemand bezweifeln kann: In dem 40-seitigen Koalitionsvertragswerk „ist die sozialdemokratische Handschrift unverkennbar“. Nach ihrer Ansicht sei das „eine gute Basis für weitere fünf Jahre rot-grüner Reformpolitik“. Zugleich verteidigte sie ihre Entscheidung, den Grünen trotz Stimmenrückgangs und Verkleinerung des Kabinetts von neun auf acht Ministerien wieder zwei Ressorts zu überlassen. Es wäre „unklug gewesen, hier einen Konflikt zu fahren“.
Unumstritten bei den Grünen ist einzig Anne Lütkes. Die 51-jährige Kölnerin, die in Kiel stellvertretende Ministerpräsidentin sowie Justiz- und Frauenministerin wird, konnte sich auf dem Parteitag bei ihrem ersten Auftritt vor der Basis viel Beifalls erfreuen.
Beim künftigen Umweltminister Klaus Müller allerdings hatten viele Grüne erhebliche Bauchschmerzen. Der 29-jährige Bundestagsabgeordnete, der morgen jüngster deutscher Minister aller Zeiten wird, wurde gar des „Vatermordes“ an Amtsvorgänger Rainder Steenblock bezichtigt. Steenblock saß denn auch wie versteinert, als Müller mit einer engagierten Rede um Akzeptanz warb. Ex-Landesvorstandssprecherin Monika Mengert zog offen gegen Müller vom Leder, der aber alles unbeschadet überstand und zum Schluss Gummistiefel mit „grünem Profil“ geschenkt bekam.
Ärger gab es auch darüber, dass mit Karl-Martin Hentschel nun ein Mann die mit drei Frauen besetzte fünfköpfige Landtagsfraktion führt. Auch manch bittere Bemerkung im Zwiegespräch und im Streit um das Abstimmungsverfahren über Koalition und Personalien zeigte, dass bei den Grünen auch künftig nicht „Friede, Freude, Eierkuchen“ angesagt ist.
Das ändert allerdings nichts am letztlich klaren Votum für die Koalition. Der Vorschlag des Brokdorf-Klägers und Fundi-Dauerkritikers Karsten Hinrichsen, aus der Landesregierung auszusteigen und statt dessen eine SPD-Minderheitsregierung zu tolerieren, stieß auf taube Ohren.
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