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Mit Vitamin A angereicherter Reis

Bevor die neuen Pflanzen angebaut werden, müssen zuerst die Folgen untersucht werden, fordert die FAO

Der durchschnittliche Deutsche braucht sich überhaupt nicht darum zu sorgen, ob er oder sie genug davon bekommt: Jede ausgewogene Ernährung enthält genug Vitamin A, enthalten in Leber, Milch, Eiern oder als Provitamin (Beta-Karotin) in anderen Lebensmitteln. 250 Millionen Menschen, besonders Kinder und Schwangere leiden weltweit dagegen unter den Folgen von Vitamin A Mangel: Blindheit und eine erhöhte Anfälligkeit gegen zahlreiche Krankheiten wie Durchfall, Tuberkulose, Malaria sind die Folgen. Forscher meinen nun, sie hätten dagegen eine Lösung gefunden: den mit dem Provitamin A angereicherten Reis, gentechnisch hergestellt.

Die Logik des Pflanzenbiologen Ingo Potrykus der ETH Zürich und des Freiburger Forschers Peter Breyer, die das Projekt „Carotene plus“ neun Jahre lang leiteten, ist einfach: Reis ist und bleibt das Hauptnahrungsmittel für zwei Milliarden Menschen auf der Welt, oft das Einzige. Was wäre einleuchtender, als klassische Mangelernährung dadurch zu bekämpfen, dass diese Grundnahrungsmittel mit den fehlenden Vitaminen angereichert werden? Also wurden dem Reis vier Gene aus der Narzisse eingeschleust, die die Vitamin-A-Bildung des Reiskorn steuern. Durch eine bessere Vitamin-A Versorgung, schreibt die EU-Kommission, die das Forschungsprojekt finanziell unterstützt hat, könnte die Sterblichkeit um 23 Prozent gesenkt werden, die Masernsterblichkeit sogar um 50 Prozent. Der Reis, der durch die Manipulation gelb gefärbt ist und deswegen auch Goldener Reis heisst, ist bisher nur ein Laborprodukt. Sicher bewertet ist auch noch nicht, ob der Reis der Lebensmittelverordnung entspricht – trotzdem oder gerade deswegen, so die Kommission „muss der jetzt verfügbare gelbe Reis weiterentwickelt werden“. Er soll nun mit den in Entwicklungsländern üblichen Sorten gekreuzt werden.

Wie alle Lösungen, die einfach aussehen, es aber nicht sind, stößt das Ergebnis auf heftige Kritik. Die Bekämpfung der Mangelernährung in den Entwicklungsländern ist schließlich nichts Unbekanntes. Seit Jahrzehnten führen die klassischen internationalen Organisationen wie die Welternährungsorganisation (FAO), der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Projekte durch, wie die Verabreichung von Tabletten, Hausgartenprojekte, oder die Anreicherung von Nahrungsmitteln wie Margarine und Zucker mit Vitamin A, um den Folgen zu begegnen. Der Erfolg ist da, aber schwer messbar.

Die FAO betrachtet den neuen Ansatz mit den gentechnisch veränderten Lebensmitteln mit Skepsis. Er könne zwar ein „wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit in vielen armen Ländern sein“, die FAO fordert aber eine genaue Untersuchung der Folgen. Dazu gehört unter anderem, ob biotechnologisch veränderte Pflanzen allergen wirken und ob der Anbau weniger genmodifizierter Sorten zum Verlust der Artenvielfalt beiträgt.

Nichtregierungsorganisationen wie das international operierende Netzwerk GRAIN (Genetic Resources Action International) gehen wesentlich weiter in der Kritik. Nachdem die „Grüne Revolution“ der sechziger Jahre erfolgreich dafür gesorgt habe, dass Hochertragssorten und Pestizide die traditionelle Landwirtschaft der Vielfalt verdrängt habe, versuche man nun wieder, ein Verteilungsproblem technologisch zu lösen, schreiben die Kritiker. Das Problem sei schließlich nicht der Mangel an Vitamin-A-Quellen, sondern der Zugang zu den entsprechenden Lebensmitteln – und der sei bei dem neuen Reis auch nicht gesichert. Auch Potrykus, der den Reis den Bauern schenken will, fürchtet, dass diese ehrenwerte Idee an den Patenten scheitern könnte, die Firmen auf den Methoden haben, die er angwendent hat. Eine Zeitlang können sich Befürworter und Kritiker über ihre Argumente noch streiten, bevor der Reis in den Schalen der bislang dazu unbefragten Armen landet: In drei Jahren soll das Getreide feldreif sein. MAIKE RADEMAKER

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