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Neues Spiel: T-Online-Lotto lockt

Bis zu 32 Euro soll die Aktie der Telekom-Tochter kosten. Lohnt es sich, so viel Geld für eine Verlust bringende Firma auszugeben? Wer wie viel Aktien bekommt, bleibt unklar. Telekom freut sich: Sie besitzt bald 50 Milliarden Mark mehr

von HANNES KOCH

Im Buch der merkwürdigen Erfolgsstorys wurde gestern ein neues Kapitel aufgeschlagen: Hundertausende BundesbürgerInnen ließen sich eintragen, um Aktien von T-Online zu erhalten, der Internet-Tochter der Deutschen Telekom AG. Die Sonne schien – so stand man gerne morgens um neun Uhr in einer der Schlangen vor den Bankfilialen.

Dabei sprechen die Fakten nicht für Euphorie. Was ist das für ein Unternehmen, das den angeblich wichtigsten Börsengang des Jahres hinlegt und es geschafft hat, mit seiner Werbung die Titelseiten vermeintlich unabhängiger Zeitschriften zu okkupieren?

Wenig steht bei dem Börsengang so fest wie dieses: T-Online macht Verlust. Im Jahr 1999 immerhin über 10 Millionen Mark. Über die Aussichten für 2000 schweigt sich die Telekom zwar aus, doch Analyst Frank Geilfuss vom privaten Bankhaus Löbbecke schätzt die zu erwartenden roten Zahlen auf „120 bis 140 Millionen Mark“. Andere Branchenkenner sind nicht so zurückhaltend. Sie vermuten, dass der Verlust auf rund die Hälfte des Umsatzes steigen könnte, der für 2000 mit etwa 1,5 Milliarden angenommen wird. Gewinn erwartet man nicht eher als 2003. Und im Börsenprospekt von T-Online heißt es deutlich: Es ist „nicht beabsichtigt, in absehbarer Zukunft Dividenden auszuschütten.“

Was sollte AnlegerInnen also verleiten, Aktien einer Verlust bringenden Firma zu kaufen, die zum Überleben gigantische Summen frischen Kapitals braucht? Vor ein paar Jahren wären Firmenvorstände auf derartigen Angeboten sitzen geblieben.

Heute ist das anders. Zwischen 26 und 32 Euro kostet die T-Online-Aktie während der gestern begonnenen Zeichnungsfrist – neunmal mehr als ihr Buchwert. Trotzdem wird sie gekauft – aus zwei Gründen. Wie in den vergangenen Monaten mehrfach demonstriert, kann man Aktien zwei oder drei Tage nach Börsenstart mit etwas Glück für den doppelten Preis ansetzen. Es lockt die T-Online-Lotterie.

Zum anderen steht die Firma trotz Verlusten nicht schlecht da – eine mittelfristige positive Entwicklung ist nicht ausgeschlossen. Nach neuesten Telekom-Angaben ist die Internet-Tochter in Deutschland mit rund 5 Millionen KundInnen Marktführer – weit vor Konkurrenten wie AOL und Viag Interkom. Nicht zuletzt aufgrund der Börseneuphorie wächst die Zahl der KundInnen gegenwärtig um 250.000 pro Monat. Risiken stellen umgekehrt die fehlende internationale Präsenz von T-Online und zurückgehenden Einnahmen aus den bloßen Internetgebühren dar. Aufgrund der harten Konkurrenz werden die Preise sinken, so dass die Telekom-Tochter neue verkaufbare Informationsangebote schaffen muss. Ob das in ausreichendem Maße gelingt, wissen die Götter des World Wide Web.

Auf jeden Fall – darauf weist auch die Telekom im Börsenprospekt selbst hin – kann der T-Online-Kurs eine rasante Kurve schreiben. Nicht unwahrscheinlich erscheint, dass die Aktie am ersten Handelstag aufgrund der hohen Überzeichnung den Ausgabewert um bis zu 50 Prozent übersteigt. Gestern Mittag wurden die Online-Aktien auf dem grauen Markt für um die 45 Euro gehandelt. Obwohl ihn die meisten AnalystInnen nicht für wahrscheinlich halten, kann aber doch niemand den schnellen Absturz ausschließen – schließlich fällt der Börsengang in eine Zeit, da die Internet-Aktien zumeist herumschwächeln.

Die Zeichnungsfrist, während der alle InteressentInnen versuchen können, Aktien zu reservieren, läuft nun noch bis zum Mittwoch, den 12. April. Ab 17. April werden die Anteile am Neuen Markt der Frankfurter Börse gehandelt. Bis kurz vor Börsenstart werden die ZeichnerInnen nicht wissen, nach welchem Verteilmodus sie wie viele Aktien bekommen – zum Ärger vieler hält sich die Telekom bedeckt. Nach den hohen Preisangaben der vergangenen Tage finden die meisten AnalystInnen den nunmehr festgelegten Zeichnungspreis von 25 bis 32 Euro angemessen.

Die AktionärInnen werden dem Konzern Telekom AG ein Geschenk machen. Bis zu 6,4 Milliarden Mark verdient der Telefonriese durch den Verkauf von 10 Prozent der Anteile. Die 80 Prozent im Besitz der Telekom sind nach dem Börsengang etwa 50 Milliarden Mark wert. Damit will Telekom-Chef Ron Sommer die Konkurrenz aufkaufen: Aktien ersetzen Geld als Währung.

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