piwik no script img

Man gönnt sich ja sonst nichts

■ Zum Osterfest serviert der Bremer Senat der Kultur einen Nachschlag. SprecherInnen von CDU und SPD sehen darin einen Riesenerfolg. Grüne und Anstoß kritisieren, dass der Senat den Kulturbereich trotzdem weiter schröpft

Die Kulturpolitikerin Carmen Emigholz (SPD) feiert „einen Riesenerfolg“. CDU-Fraktionsschef Jens Eckhoff ist in Partylaune. Und auch zahlreiche Bremer Kulturschaffende können nach dem ges-trigen Beschluss der Landesregierung zumindest einmal durchatmen: Der Senat hat gestern seine eigene Finanzplanung korrigiert und will die Kultur in diesem und im nächsten Jahr mit 9,5 Millionen Mark oder – je nach Berechnung – mit sieben bis neun Prozent mehr Geld fördern. Was ab dem Jahr 2002 passiert, ließ die Landesregierung jedoch offen. Deshalb möchten auch nicht alle den einstimmig gefassten Beschluss mitfeiern.

Genau betrachtet, hat Kultursenator Bernt Schulte (CDU) nur einen Teil seiner Forderungen durchsetzen können. Via Presseerklärung teilte er zwar gestern mit, dass „die Bremer Kulturlandschaft von heute an eine klare Perspektive für eine kurz- und mittelfristige Entwicklung“ hat. Aber gerade über die Passagen, die auf eine mittelfristige Entwicklung zielen, wird er noch weiter verhandeln müssen. In einer älteren Fassung der noch gestern Morgen umgeschriebenen Senatsvorlage hatte das Kulturressort eine Festschreibung des Kulturetats bis 2005 auf einer Höhe von rund 133 Millionen Mark gefordert. Bekommen hat es aber nur einen Zuschlag, der das Loch im Kulturetat in Höhe von rund zehn Millionen Mark in diesem Jahr und etwa elf Millionen Mark im nächsten Jahr einigermaßen stopft.

Für die Zeit ab 2002 machte Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU) gestern immerhin eine Andeutung: „Wir gehen nicht davon aus, dass wir die 9,5 Millionen Mark im Jahr 2002 auf null drücken können. Das ist unrealistisch.“ Dieser Mehrbedarf bleibt übrigens nur in der Höhe von 9,5 Millionen Mark, wenn sämtliche geplanten Einsparmaßnahmen greifen.

Wie berichtet, geht das Kulturressort unter anderem davon aus, dass die Einrichtungen ihre Einnahmen jährlich um drei Prozent steigern können. Gelingt das nicht, steigt das Defizit ab 2002 wieder und immer weiter an, weil der Etat (der so genannte Eckwert) Jahr für Jahr schrumpfen soll. Denn an ihrem Hauptprojekt halten Perschau und der Gesamtsenat mit Bekräftigung von gestern weiter einstimmig fest: In einer Mischung aus Einsparungen und der gleichzeitigen Hoffnung auf Mehreinnahmen wollen sie das Defizit im so genannten konsumtiven Bereich von 850 Millionen Mark in diesem Jahr bis zum Jahr 2005 quasi auf Null drücken.

Für den Bereich Kultur hat der Senat gestern deshalb auch beschlossen, dem Fachressort mit Hilfe von außen unter die Arme zu greifen. In bislang noch nicht vernommener Deutlichkeit kündigte Perschau an, dass die so genannte Staatsrätelenkungsgruppe, die sich in Zusammenarbeit mit der Unternehmensberatung Roland Berger mit der Reform des öffentlichen Dienstes herumschlägt, jetzt auch die Kultur unter die Lupe nehmen soll.

Nachdem die Berger-Konkurrenten aus dem Hause McKinsey die Bremer Kulturförderung vor wenigen Jahren begutachtet haben, in der Folge die Kultur-Controllinggesellschaft kmb gegründet worden ist und auch BeraterInnen der Bertelsmann-Stiftung in die Hansestadt kommen sollen, gibt es also jetzt im Bereich Kultur für eine weitere Beraterfirma Arbeit. Wäre dies ein polemischer Text, könnte man fragen, warum das kleinste Bundesland aus dem Länderfinanzausgleich Zuschüsse für die Kosten der politischen Führung bekommt, wenn der Senat solch einen enormen Beratungsbedarf hat.

Aber es sollen hier andere zu Wort kommen: „Der Senat bekennt sich immer noch nicht dazu, dass Kultur gut für Bremen ist und droht nur mit Roland Berger“, sagte die Sprecherin der Kulturinitiative Anstoß, Katrin Rabus, in einer ersten Stellungnahme.

Etwas milder die kulturpolitische Sprecherin der oppositionellen Grünen, Helga Trüpel: „Der Senatsbeschluss war eine dringend erforderliche Korrektur“, sagte die ehemalige Kultursenatorin und ergänzte aber: „Der Senat betreibt weiterhin eine Politik, die auf ein Abschmelzen der Kultur hinausläuft. Wenn die Einrichtungen ihre Einnahmen nicht wie geplant steigern können, läuft das auf eine Schließung vieler Einrichtungen hinaus.“

Anders sehen es Carmen Emigholz (SPD) und Jens Eckhoff (CDU). „Der Senat hat ein wichtiges Signal in die Kulturszene gesendet“, sagte der CDU-Fraktionschef und lobte Kultursenator Schulte und dessen Staatsrätin Elisabeth Motschmann (CDU) für ihren Einsatz. Die Kulturszene forderte er dazu auf, die „teilweise vorhandene“ Blockade von Gesprächen mit dem Ressort und der kmb aufzugeben. Die SPD-Kulturpolitikerin Carmen Emigholz stellte fest: „Der Senat hat sich den Argumenten angeschlossen, dass die alten Beschlüsse zu einem Kahlschlag geführt hätten, und nun den Mut gehabt, die alte Setzung zurückzunehmen.“

Weitere Nachforderungen durch die Bürgerschaft schloss sie indirekt aus: „Wir müssen jetzt zusammen mit Schulte prüfen, ob wir mit dem Geld hinkommen oder nicht.“ Die 9,5 Millionen Mark seien aber nicht weit entfernt von ihrer Forderung. Christoph Köster

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen