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IN INDONESIEN STEHT ERSTMALIG DIE ARMEE VOR GERICHTNagelprobe für Präsident Wahid

Terroraktionen der Armee gehören in der Provinz Aceh und anderen Teilen Indonesiens seit Jahrzehnten zum Alltag. Der neue Präsident Abdurrahman Wahid hatte versprochen, das zu beenden. Jetzt will er beweisen, dass er es ernst meint: In der Provinzhauptstadt Banda Aceh müssen sich derzeit zum ersten Mal Soldaten für Verbrechen an der Zivilbevölkerung vor einem Gericht verantworten.

Es geht um den Tod von 57 unbewaffneten Menschen am 23. Juli vergangenen Jahres im Dorf Beutong in der Provinz Aceh. Vieles spricht dafür, dass das Massaker eine Racheaktion war. In den Wochen zuvor waren zahlreiche Soldaten, Polizisten und angebliche Armeespitzel getötet worden. Für die Armee bestand kein Zweifel daran, wer hinter den Anschlägen steckte: die Unabhängigkeitsbewegung „Freies Aceh“ und ihre Sympathisanten in den Dörfern und Städten der Region.

An dieser Einschätzung haben die Offiziere nichts geändert, seit Wahid die Regierung übernahm. Die Bevölkerung von Aceh ist der auf beiden Seiten eskalierenden Gewalt weiterhin ausgeliefert. Selbst der aus der Krisenprovinz stammende Menschenrechtsminister Hasballah Saad räumte kürzlich ein, die Situation sei derzeit fast so schlimm wie zu Zeiten des Diktators Suharto. Erst vorgestern berief Wahid einen Polizeioffizier aus Aceh nach Jakarta zurück. Begründung: Der Mann habe seine Untergebenen aufgefordert, Menschen, Wohnhäuser und Schulen zu verbrennen. Der Beamte gab an, er habe sein Bestes gegeben und sei sich keines Fehlers bewusst.

Diese Polizei hat nun von Wahid den Auftrag erhalten, die Menschenrechtsverletzungen ihrer eigenen Kollegen aufzuklären. Da kann nicht verwundern, dass viele Acehnesen auch weiterhin nichts von der Regierung in Jakarta halten – und das jetzt begonnene Gerichtsverfahren mit großer Skepsis betrachten. Einzelaktionen wie die Rückberufung des Polizeioffiziers reichen nicht aus, um die Menschen zu überzeugen. Solange nur die niederen Chargen vor Gericht gestellt, die höheren aber verschont werden, gibt es für Indonesien keine Hoffnung auf ein Ende der Gewalt. JUTTA LIETSCH

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