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Weißwurst statt Borschtsch

Vor allem Osteuropäer sind an der deutschen Green Card interessiert. Arbeitsamt plant Vermittlungsbörse im Internet

von BARBARA DRIBBUSCH

Noch ist sie karg, die Website, mit der Computerspezialisten im Ausland angeworben werden sollen (über www.arbeitsamt.de). Doch demnächst will die Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) in Bonn im Internet eine bunte internationale Vermittlungsbörse aufziehen. „Dieser Weg ist neu für uns“, schwärmt ZAV-Sprecher Klaus Schuldes. Die ausländischen Bewerber können sich dann via Netz direkt an IT-Unternehmen in Deutschland wenden und umgekehrt.

Nach der am Dienstag von der Bundesregierung abgestimmten Green-Card-Regelung dürfen ausländische IT-Fachkräfte befristet für fünf Jahre nach Deutschland kommen. Sie müssen dazu nur einen Hochschulabschluss haben oder bei ihrem künftigen deutschen Arbeitgeber mindestens 100.000 Mark Jahresgehalt beziehen. Die Zahl der Computerexperten soll auf 10.000, bei Bedarf bis zu 20.000 beschränkt werden. Familienmitglieder dürfen mitziehen und auch schon nach zwei Jahren hier arbeiten. Am Dienstag hatte sich Bundeskanzler Schröder mit dem Beratergremium D 21, dem zahlreiche IT-Unternehmen angehören, auf die neuen Bestimmungen geeinigt. „Die neue Regelung ist eine gute Grundlage“, meinte Stephan Pfisterer, Pressereferent im IT-Verband bitkom, „darauf kann man aufbauen“.

Bisher schon meldeten sich rund 1.700 Interessenten via E-Mail bei der ZAV. Die Mail-Adresse wurde über die deutschen Botschaften in Indien, Osteuropa und anderswo publik gemacht, deswegen spiegelt die Nationalität der Interessenten nicht zuletzt auch die bisherigen Anstrengungen der Botschaften wieder: 13 Prozent der Bewerber kommen aus Bulgarien, 10 Prozent aus Indien und 6 Prozent aus Ecuador. Weiterhin stammen viele Interessenten aus Russland, Ungarn und Rumänien. „Die Bindung der Osteuropäer an Westeuropa ist traditionell stark“, erklärt Pfisterer den Andrang aus den ehemaligen Ostblockstaaten. Bei der ZAV meldeten sich auch ungarische Computerspezialisten, die in den USA leben, aber jetzt lieber nach Deutschland wollen, um näher an der Heimat zu sein.

„Die räumliche Entfernung zur Familie, zu den Verwandten spielt eine wichtige Rolle“, meint auch Thomas Edig, Arbeitsdirektor bei der Alcatel SEL AG in Stuttgart. Länder wie Bulgarien, Estland oder Lettland hatten sich zudem schon zu Zeiten des RGW (der Wirtschaftsvereinigung der damaligen Ostblockstaaten) auf Informationstechnologie konzentriert. „Da gibt es hervorragende Leute“, so Edig. Dennoch sei das Angebot an IT-Fachkräften rein quantitativ nicht besser als in den EU-Ländern. Durch die neue Green-Card-Regelung aber öffneten sich für die osteuropäischen Spezialisten jetzt die westeuropäischen Grenzen. „Für junge Leute ist das eine tolle Chance“, meint Edig.

Die neuen IT-Spezialisten sollen auf drei Wegen nach Deutschland kommen: Einmal sucht ein internationaler Konzern wie Alcatel über seine Tochterunternehmen Computerexperten auch für Deutschland. Zum Zweiten dürfen sich auch private Personalvermittler in das Geschäft einschalten. Als dritte, vielleicht bedeutsamste Möglichkeit will die ZAV ihre Internet-Stellenbörse einrichten. Danach können interessierte Unternehmen in Deutschland ihr Profil und ihre Stellenangebote direkt in das Internet stellen. Bewerber wiederum können sich dann direkt via E-Mail oder auf sonstigem Wege bei den Firmen melden. Auch ein Konzern wie Alcatel will diese Möglichkeit über die ZAV nutzen.

Die Stellenbörse wird damit zum unfreiwilligen Test für die Arbeitgeber: 75.000 Computerspezialisten fehlten in Deutschland, hatte die Informations- und Telekommunikationswirtschaft geklagt. Bisher wurden von den Unternehmen über die „Greencard-Hotline“ der Arbeitsämter aber nur 7.000 offene Stellen gemeldet. „Von den 75.000 gesuchten Fachkräften sind wir noch meilenweit entfernt“, meint Gisela Steltzer, Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeit.

Die Green-Card-Verordnung soll im Juni im Bundestag verhandelt werden, am 14. Juli in den Bundesrat gehen und am 1. August in Kraft treten. Einige CDU-geführte Länder erklärten gestern, erst müsse ihnen der Verordnungsentwurf vorliegen, um über eine Zustimmung zu entscheiden.

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