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ist Günter pfitzmann ein bundeswehrbeleidiger?

von WIGLAF DROSTE

Günter Pfitzmann, Klischee des oll und muffig vor sich hin dünstenden Berufsberliners, hat einmal in seinem Leben eine große Rolle gehabt. In Bernhard Wickis Film „Die Brücke“ spielt er einen Wehrmachtssoldaten, der ein paar Jungs, die scharf aufs Heldentum sind, das Leben zu retten versucht und dabei sein eigenes verliert. Er wird von der Feldgendarmerie, der Militärpolizei der Wehrmacht, erschossen. „Verdammte Kettenhunde!“, ruft er, und ein paar Sekunden später ist er tot. Das war im Film und doch wahr; in der wirklichen Wirklichkeit wurden Deserteure und Defätisten zu Hunderten von der Feldgendarmerie erschossen.

Kettenhunde hießen die Feldgendarmen wegen des Brustblechs, das sie an einer Kette trugen. Die heutigen Militärpolizisten heißen Feldjäger und sind sehr sensibel. Kettenhunde möchten sie nicht genannt werden; erfüllt man ihnen diesen Wunsch nicht, fühlen sie sich beleidigt und laufen zur Staatsanwaltschaft. Zwar legt die Bundeswehr großen Wert auf Tradition, und noch immer sind dutzende ihrer Kasernen nach Wehrmachtsoffizieren benannt, die treu die Befehle ihres Vorgesetzten Adolf Hitler befolgten. Die einzelnen Soldaten aber, und speziell die Feldjäger, stehen eben nicht in der Tradition der Wehrmacht. Sondern wahrscheinlich in der von Jesus.

Das Bedürfnis nach Blutbädern ist demokratisiert. Alle dürfen mitmachen. Man muss nicht pervers sein, um anderen gern beim Krepieren zuzusehen oder sich sogar selbst an diesem auf- und anregenden Vorgang zu beteiligen. Der Soldat von heute tötet nicht, wenn er tötet – er hilft. Und ist moralisch geadelt – wegen der Menschenrechte, für die er eintritt. Wer braucht noch Stalinorgeln, wenn er Menschenrechte hat? Menschenrechte sind die schärfsten Waffen. In ihrem Namen darf man einfach alles.

Auch wer einer Minderheit angehört, hat selbstverständlich das Menschenrecht, genauso blutrünstig zu sein wie Leute, die verrückt genug sind, um sich deshalb für normal zu halten. Homosexuelle und Behinderte müssen dringend hinein in die Bundeswehr! Auch Krüppel können killen, notfalls wird das technische Gerät ein bisschen angepasst. Und wer Männer liebt, kann sie doch trotzdem umbringen – töten wir alle nicht immer, was wir am meisten lieben?

Das gilt auch für Frauen – die allerdings keine Minderheit sind, sondern die Mehrheit. Und ebenfalls endlich tun dürfen sollen, was getan werden muss: soldatisch nach Schweiß und Bierfurz riechen, nach Käsfuß und Kasernenspind. Und Menschen helfen – in die andere Welt, die ohnehin eine bessere ist.

Ich sage das nicht in beleidigender Absicht. Ich bin seit vielen Jahren staatlich geprüfter Bundeswehrbeleidiger und brauche mir nicht zu beweisen, dass ich das kann. Außerdem kann man Leute nicht beleidigen, die freiwillig andere umbringen, dafür bezahlt werden und die, falls es Beschwerden gibt, ganz bequem durch Befehl gedeckt sind. Zwar kommt das Wort Soldat von Sold, aber der Soldat von heute will dennoch kein Söldner sein, kein Mietling. Der Soldat von heute darf für Menschenrechte kämpfen und töten, also zwar auch für Geld, vornehmlich aber für die Ehre. Jeder kämpft eben für das, wovon er am wenigsten hat.

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