: Der alte Mann und die Mär
Manfred Höppners Erklärung im Doping-Prozess vor dem Berliner Landgericht stößt die Opfer vor den Kopf
BERLIN taz ■ Vor dem Landgericht Berlin wurde gestern Vormittag der Prozess gegen zwei Protagonisten des DDR-Dopings mit einer Einlassung Manfred Höppners fortgesetzt. Höppner, einst stellvertetender Vorsitzender des Sportmedizinischen Dienstes (SMD) der DDR, verlas eine Erklärung, in der er seine persönliche Verwicklung im Dopingsystem darlegte, dabei aber einen Verstoß gegen damalige Gesetze bestritt. „Die Förderung und medizinische Unterstützung im Hochleistungssport widersprach nicht den rechtlichen Bestimmungen der DDR“, sagte er. Die Nebenklage nahm seine Worte mit Entrüstung auf.
Mitangeklagt ist Manfred Ewald, bis 1988 Chef des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB). Ewald schweigt. Beiden wird vorgeworfen, in 142 Fällen Beihilfe zur Körperverletzung geleistet zu haben. Minderjährige Sportlerinnen wurde ohne ihr Wissen gedopt. Es kam zu schweren körperlichen Folgeschäden. Höppner wies die Anschuldigungen von sich. Er habe Körperverletzungen zu keinem Zeitpunkt angestrebt, erklärte er. Im Gegenteil, er habe versucht, die Vergabe von Anabolika zu verringern. Die betroffenen Athletinnen bat Höppner, seine Entschuldigung anzunehmen. Er bedauere zutiefst, dass es ihm nicht gelungen sei, Unheil von einzelnen Sportlern abzuwenden. „Unterstützende Mittel“, DDR-Euphemismus für Doping, seien nur angewendet worden, um unkontrollierte Selbstmedikation zu verhindern. Höppner: „Welche gesundheitlichen Schäden hätten die Sportlerinnen, wenn sie nicht mit unterstützenden Mitteln behandelt worden wären?“ Motto seiner Arbeit sei gewesen: „Gesundheit und Sicherheit geht vor Goldmedaillen.“
Bei der Mehrzahl der Athleten habe sich der Einsatz der Mittel bewährt, so Höppner. Dass es zu Mängeln in der Aufklärung gekommen sei, habe nicht in seinem Verantwortungsbereich gelegen, sondern in dem des DDR-Schwimmverbands. „Niemals habe ich jemanden gezwungen, unterstützende Mittel einzunehmen.“ Er sei von Kollegen gar als „Bremser“ bezeichnet worden, als er vor Olympia 1988 angeblich den Einsatz von Wachstumshormonen verhinderte.
Auf Höppners Rechtfertigungsversuch reagierten die 15 Nebenklägerinnen bestürzt. „Fassungslos“ war Karen König. „Er dreht einem die Worte im Munde um“, so die Ex-Schwimmerin. „Das ist eine Farce, noch im Vorfeld der Verhandlung unterstellte er uns, wir hätten um die Medikation quasi gebeten und jetzt das. Eine Entschuldigung kann ich nicht annehmen.“ Die frühere 400-Meter-Läuferin Ines Geipel sagte, Höppner habe nur geredet, weil er ein geringeres Strafmaß anstrebe. Sie wolle unverzagt um die historische Wahrheit kämpfen, um die es ihm in seiner heuchlerischen Einlassung nicht gegangen sei. Geipel sprach von einer „Märchenstunde“ und „Taschenspielertricks“.
Die Schwimmerin Catherine Menschner ergänzte: „Ich finde es zum Kotzen. Der will uns einreden, wir wären vielleicht noch kränker, wenn wir nicht gedopt hätten.“ Die Verhandlung wird am Dienstag mit der Verlesung von Höppners richterlichen Vernehmungsprotokollen fortgesetzt. MARKUS VÖLKER
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