piwik no script img

Abschied auf dem Sattel

Die 3. tazVeloTour 2000: Am alten Bahndamm entlang von Templin nach Fürstenwerder – Brandenburger Eisenbahngeschichte mit dem Fahrrad erkunden, solange es noch Zugverbindungen gibt

von BENNO KOCH

Rund 100 Kilometer nördlich von Berlin wird die Welt an diesem Wochenende etwas ärmer. Am Sonnabend fahren auf der 41 Kilometer langen Regionalbahnlinie 12 zwischen Templin und Prenzlau die letzten Züge.

Trotzdem ist eine Velotour durch diesen dünn besiedelten Teil der Uckermark empfehlenswert, auch wenn die (Rad-)Wege nun einige Kilometer länger werden. Mitte der 90er-Jahre wurde hier der Damm einer anderen, bereits 1945 als Reparationsleistung demontierten Bahnlinie Templin – Fürstenwerder mit bescheidenen ABM-Mitteln als Radwanderweg ausgebaut. Wer am heutigen Sonnabend kurzentschlossen losfährt, erreicht letztmalig den Beginn des alten Bahndamms am Bahnhof Templin-Fährkrug per Zug. Sonst beginnt die Velotour am Bahnhof Templin, führt durch die Stadt an den gut erhaltenen Wehranlagen aus dem 14. Jahrhundert über den Marktplatz zum östlich gelegenen Prenzlauer Tor. Dort verlässt man die „Perle der Uckermark“ auf der wenig befahrenen Landstraße in Richtung Fährkrug. Am gleichnamigen Bahnhof werden die Gleise überquert, um auf dem am weitesten links gelegenen Waldweg einzubiegen. Hier beginnt nun der 36,7 Kilometer lange Bahndamm nach Fürstenwerder. Schon nach wenigen hundert Metern wird der Abfluss des Gleuensees überquert. Die schmale Holzbrücke ruht auf den Fundamenten der zwischen 1910–13 erbauten Bahnkonstruktion. Die ersten Reste eines Bahnsteigs sind bei Knehden zu entdecken. Einst verkehrten hier täglich sechs Personenzüge pro Richtung und einige Güterzüge. Nachdem Deutschland seine Kriegsschuld gegenüber der Sowjetunion mit dem Abbau der Bahnlinie 1945 bezahlen musste, war in den 50er-Jahren zunächst ein Wiederaufbau vorgesehen. Dieser Plan wurde jedoch 1978 mit dem Abbau der zweiten Bahnverbindung Fürstenwerders nach Dedelow (Prenzlauer Kreisbahn) aufgegeben. Die Velotour führt nun weiter über Metzelthin, Warthe nach Hardenbeck. Nur vereinzelt muss der Bahndamm verlassen werden, dessen Nähe aber wegen der lückenhaften Ausschilderung immer als Orientierung dient. Vorbei am alten Wasserturm geht es weiter nach Krewitz. Hier entscheidet sich, welchen Bahnhof man für die Rückfahrt ansteuern möchte. Die erste Variante führt nach Prenzlau. Über die Landstraße nach Weggun und um das Motorsportgelände Parmen herum wird der nun als schmaler Naturlehrpfad ausgewiesene Bahndamm wieder erreicht. In beeindruckender Höhe geht es am Großen Parmensee vorbei und unter einer alten Brücke hindurch zum Endpunkt der einstigen Bahnlinie in Fürstenwerder. Am alten Wasserturm vorbei können in der nur 1.000 Einwohner zählenden Stadt die Reste zweier nicht miteinander verbundener Bahnhöfe entdeckt werden. Im Bahnhof an der Hauptstraße lockt ein kleines Restaurant, bevor es auf der Landstraße über Schönermark nach Prenzlau geht. Die Alternative zum Bahnhof Feldberg ist mit dem Fahrplanwechsel an diesem Wochenende nicht mehr möglich – auch hier wird der Zugverkehr eingestellt. Die zweite Variante führt von Krewitz in Richtung Boitzenburg zum einstigen Wohnsitz derer von Arnim. Kurz vor Boitzenburg zweigt ein markierter Weg durch die Zerweliner Heide nach Naugarten ab. Von der Anhöhe am Waldrand bietet sich eine fantastische Aussicht über die Hügel der Uckermark, und unten im Dorf kann man im Landgasthof Kokurin die uckermärkische Küche probieren. Auf einem Feldweg geht weiter nach Gollmitz, biegt dort auf die ruhige Landstraße zum Schloss Kröchlendorff ab und erreicht den Bahnhof Beenz. Nur noch am heutigen Sonnabend verkehren hier Züge. Ansonsten geht es auf ruhigen Straßen weiter über Lindenhagen, Hof Sternhagen, Pinnow und Potzlow zum Bahnhof in Seehausen. Und falls auch dort der Zug gerade abgefahren sein sollte, ist die erlesene Küche des nahen Seehotels Huberhof noch immer eine Versuchung.

Hinfahrt: ab Berlin-Lichtenberg mit RB 12 ab 5.18 Uhr alle zwei Stunden, ab 28. 5. 2000 ab 5.58 bzw. 7.02 Uhr im Wechsel stündlich. Rückfahrt: ab Prenzlau mit RB 22 bis 22.44 Uhr, ab Seehausen bis 22.52 Uhr jeweils alle zwei Stunden, 28. 5. 2000 bis 22.57 Uhr (außer 20.57) mit RB 22 alle zwei Stunden oder mit IR z.B. 19.41 Uhr, ab Seehausen bis 23.05 Uhr (außer 21.05) mit RB 22 alle zwei Stunden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen