: Gefahr nicht gebannt
Die Unfallgefahr im letzten noch arbeitenden Tschernobyl-Reaktor steigt. Sicherheitskommission hält das Risiko für „nicht akzeptabel“
BERLIN taz ■ Tschernobyl wird abgeschaltet – wer jetzt aufatmet, weil die permanente Bedrohung durch einen weiteren Unfall im Osten wegfällt, freut sich zu früh. Spätestens in zwei Monaten, und nicht in sechs, wenn der Reaktor laut Präsident Kutschma abgeschaltet werden soll, könnte es nach einem Bericht der Ukrainischen Reaktorsicherheitskommission (NRA), der Greenpeace vorliegt, ernsthafte Probleme mit dem noch laufenden Reaktor geben.
Bei dem Tschernobyl-Reaktor handelt es sich um den Typ RBMK russischer Bauart. In diesen Reaktoren wird zur Steuerung der Neutronenstrahlen nicht Wasser eingesetzt, sondern ein so genannter Moderator aus Graphit. Dieser umschließt zirka 1.500 Brennstoffröhren. Zwischen den Röhren und dem Graphitmoderator gibt es einen hauchdünnen Spalt, der für den Wechsel der Röhren und den Temperaturausgleich notwendig ist.
Die NRA hatte im Juni letzten Jahres festgestellt, dass sich dieser Spalt zwischen dem Graphitmoderator und den Brennstoffröhren langsam schließt. Ursache für diese relativ normalen Vorgang bei den RBMK-Reaktortypen ist der Druck während des Betriebs und die Ausweitung des Graphits. Immerhin läuft das AKW Tschernobyl schon seit über 18 Jahren.
Nach Messungen gab die NRA dem Reaktor im Juni 1999 250 Tage Zeit – davon sind 190 vergangen. In zwei Monaten könnte es also riskant werden. Eine Schließung des Spalts könnte zu ernsthaften Reaktorunfällen führen. „Was genau passieren kann, hängt auch davon ab, wie ein solcher Fall gemanagt wird“, sagt Tobias Münchmeyer von Greenpeace. „Wir hatten wegen dieses Problems auch erwartet, dass der Reaktor spätestens im September und nicht erst im Dezember abgeschaltet wird.“
Das Risiko sei, so die NRA, „nicht akzeptabel“. Eine Verlängerung der Lebensdauer des Atomreaktors würde die Ukraine über 100 Millionen Dollar kosten – Geld, dass das Land nicht hat, schon gar nicht für die fehlenden vier Monate. MRA
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