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Die Grünen vermitteln weiter

Bislang war die Bevölkerung noch nicht so weit, nun mag die grüne Basis nicht mehr mitgehen: Bei Rente nicht Vermittlung misslungen, sondern grüne Ziele verfehlt

BERLIN taz ■ Das Wort Vermittlungsproblem mag die grüne Parteibasis nicht mehr hören. „Mit Erstaunen haben wir der Pressemitteilung von Katrin Göring-Eckardt und Thea Dückert entnommen, dass wir mit dem nun vorgelegten Konzept einer Rentenstrukturreform unsere wesentlichen Ziele erreicht haben“, musste Grünen-Fraktionschefin Kerstin Müller gestern in einem offenen Brief von 30 Grünen aus Ländern und Parteigremien lesen.

Wie war das mit der stärkeren Anrechnung von Kindererziehung? Wie steht es um die eigenständige Alterssicherung für Frauen?, fragen die Unterzeichner beinahe höhnisch: Nicht die Vermittlung sei das Problem. Die Fraktion habe bei der Rente wesentliche grüne Ziele verfehlt.

Doch die Kritik aus den eigenen Reihen kann Müller nicht aus der Ruhe bringen. Schließlich, so die grüne Frontfrau zur taz, gebe es in Partei und Fraktion eine breite Mehrheit für das rot-grüne Konzept. Über bestimmte Kompromisse, räumte die Fraktionschefin in Berlin ein, müsse allerdings diskutiert werden. So hatte sich Rot-Grün auf Druck der Opposition von der Idee einer steuerfinanzierten sozialen Grundsicherung verabschiedet. Um Altersarmut künftig zu verhindern, wollen die Grünen daher nun die Reform der Sozialhilfe anschieben.

Probleme gibt es auch mit dem Koalitionspartner SPD. Die Gewerkschaften sträuben sich gegen eine private Altersvorsorge. Es könne aber nicht nur um Kosmetik für drei oder vier Jahre gehen. Müller appellierte „an Teile der SPD, sich der Realität zu stellen“. Es sei klar, dass die Altersvorsorge künftig nicht mehr allein durch die gesetzliche Rente gesichert sei.

Ganz so klar ist das für die Opposition allerdings nicht. Fraglich sei tatsächlich, so Müller, ob es beim Rentengipfel im Kanzleramt am Dienstag in der Streitfrage der Steuerfreiheit privater Vorsorgebeiträge zu einem Durchbruch komme.

Die Union will erst die spätere Privatrente besteuern, nicht schon heutige Vorsorgebeiträge. Das sei nur langfristig umzusetzen, da sonst Verbrauchssteuern wie die Mehrwertsteuer erhöht werden müssten. Die CDU, so Müller, müsse sagen, wie sie ihr Konzept finanzieren will, und dürfe im Vermittlungsausschuss nicht länger auf einen niedrigeren Spitzensteuersatz drängen. „Die Zeit der Wunschlisten ist vorbei.“

Falls sich die Opposition dennoch querstellt, „müssen wir die Reform alleine durchziehen“. Klare Worte in Richtung CDU: Das Konzept sei im Wesentlichen nicht zustimmungspflichtig. Doch auch Müller weiß, dass sie das Jahrhundertprojekt Rentenreform nur mit der Opposition durchsetzen kann. „Es ist wichtig, den Bürgern zu vermitteln, dass das für alle eine Notwendigkeit ist.“ Dumm nur, dass sie ihr Konzept nicht einmal der eigenen Partei vermitteln kann.

NICOLE MASCHLER

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