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Breite Schultern, schlanker Hals

■ Bierflaschen sind nicht nur Bierflaschen, sondern auch Designobjekte mit „werlicher Ausstattung“ / Analyse: Beck's bleibt Männersache

Es würde wohl weniger gesoffen werden auf Erden, gäbe es die Bierflasche nicht. Bis in das 19. Jahrhundert hinein erforderte es einigen logistischen Aufwand, die Leber auch daheim mit Stoff zu versorgen: Bier wurde entweder fassweise ins Haus geliefert oder musste beim nächsten Wirt in Kannen und Krüge gefüllt werden. Erst durch die Glasflasche – schön dicht, geschmacksneutral, druckfest und lichtgeschützt – wurde der Gerstensaft zur Volksdroge. (1999: 127,5 Liter/Bundesbürger)

„Ohne Flaschen und Dosen gäbe es keinen Massenkonsum von Bier außerhalb von Gaststätten und Biergärten und keine national distribuierten Biermarken.“ Meint Prof. Dr. rer. pol. Klaus Berthold, Geschäftsführer der Bremer De-sign GmbH, der in den beliebten Gebrauchsgegenständen auch ein Stück Alltagskultur erkennt. Und das ist noch nicht alles: Durch ihre „werbliche Ausstattung“ würde die Flasche auch Vehikel einer Botschaft. Grund genug, eine der Bierverpackungen einmal genauer zu untersuchen. Objekt ist eine 0,33-Liter-Flasche Beck's, Verfallsdatum 12/2000.

Zuerst ein Blick auf die äußere Form: Hier kennzeichnen die ausgeprägte Schulterpartie und der schlanke Hals das untersuchte Exemplar klar als Hamburger Aleflasche, die die Bremer Brauer seit Beginn des 20. Jahrhunderts verwenden. Welch Heimtücke! Schließlich zieren insgesamt drei Bremer Stadtwappen das Behältnis. Doch auch die farbliche Gestaltung zeigt, dass man bei Beck & Co. um keine Tricks verlegen ist.

Zum Beispiel: Zwar legt man sich in den 80-er Jahren – den politischen Zeitläufen gemäß – darauf fest, das Gesamtbild der Marke „in Richtung Grün“ zu verstärken. Frische, Wasser, Natur sollte die altvertraute Flaschenfarbe assoziieren. Doch gleichzeitig appellierte die exklusive silberne Halskrause an die Instinkte der Reichen und Mächtigen.

Mit denen waren die Brauer aus der Bremer Neustadt schon vorher gut gefahren: Schließlich waren die Beckmänner 1873 als „Kaiserbrauerei“ gegründet worden – zu Ehren Wilhelm I. Die schwarz-weiß-roten Etiketten hatten die Farben der Reichskriegsflagge. Im ersten Weltkrieg trank man Beck's an der Front.

Nach dem ebenfalls verlorenen Zweiten boten die Flaschen die Möglichkeit, wenigstens im Bereich der Brauereiwirtschaft die Welt weiter zu erobern. Noch heute wird dieser hegemoniale Anspruch auf jeder Flasche durch den angelsächsischen Genetiv Beck's dokumentiert.

Dass Trinken eine Männersache ist, macht auch die Evolution der typographischen Gestaltung deutlich: So ist im Lauf der Jahrzehnte der Namenszug auf dem schwarzen Band immer breiter, kräftiger – maskuliner – geworden. Immerhin: In den 70-er klinkten reagierte man in den Vorstandsetagen auf die Frauenbewegung und verwandelte den Werbeslogan „Beck's löscht Männersdurst“ in „Beck's löscht Kennerdurst“. Heute sind in den TV-Spots der Firma immer noch kernige junge Männer zu Gange.

Männlichkeit, Kraft, Freiheit, und Internationalität – dies sind die Werte, die Flaschen transportieren sollen. Indes: Sind Pfandflaschen nicht nur etwas für Weicheier?

hase

Die Designgeschichte der Marke Beck's zeigt jetzt eine Austellung in der Unteren Rathaushalle (bis 30. Juli, täglich 10-18 Uhr) Veranstalter ist das Design Zentrum Bremen. Vom Ascher bis zum Modell der Alexander von Humboldt ist alles zu sehen, was die Marke an gestalteten Objekten hergibt. Auch Dosen.

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