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Noch eine Generation Atom

HEW-Hauptversammlung: Brokdorf strahlt mindestens bis 2020  ■ Von Sven-Michael Veit

Alle reden vom Ausstieg, doch der zieht sich. In 20 Jahren erst ist Hamburg atomfreie Zone, vielleicht. 2020 sei der früheste Zeitpunkt für die Stilllegung des Atomkraftwerks Brokdorf, das jüngste und größte AKW der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW). Das erklärte gestern HEW-Chef Manfred Timm auf der Aktionärs-Hauptversammlung des Konzerns im CCH.

Nach dem Berliner Kanzler-Konsens zwischen rot-grüner Bundesregierung und den vier größten deutschen Atomkonzernen würde rein rechnerisch der Uralt-Meiler Stade im Jahr 2004 als erster vom Netz genommen. Brunsbüttel und Krümmel würden 2007 und 2015 folgen, rechnete Timm vor, und Brokdorf 2020 – nach 34 Kalenderjahren Laufzeit. Aber das seien „keine verbindlichen Termine“, schränkte er sogleich wieder ein, Voraussetzung sei die volle Auslas-tung aller vier Reaktoren. Betriebsunterbrechungen aufgrund von Reparaturen oder behördlichen Sicherheitsauflagen würden den Ausstieg in noch fernere Zukunft verschieben. Hinzu komme die Möglichkeit, „Stromerzeugung von älteren Anlagen auf neue zu übertragen“.

Damit schloss Timm nicht aus, dass der bereits 28 Jahre alte Reaktor Stade kurzfristig abgeschaltet werden könnte, um betriebswirtschaftlich günstigere Reaktoren wie Krümmel und Brokdorf länger am Netz halten zu können. Zwar gehen die HEW entsprechend der Berliner Vereinbarung „im Grundsatz von 32 Betriebsjahren“ für ihre AKWs aus. Auch biete dieser „Kompromiss, nicht Konsens“ eine „begrüßenswerte Planungs- und Betriebssicherheit“. Aber „bei den uns zugebilligten Strommengen“, so Timm, „weist er bereits auf den ersten Blick noch Ungereimtheiten auf.“ Diese dürften zu verlängerten Betriebszeiten für Krümmel und Brokdorf führen – über 2015 und 2020 hinaus. Die HEW, die an den Berliner Atomgesprächen nicht beteiligt wurden, hätten deshalb ihrerseits „Gespräche mit der Bundesregierung“ aufgenommen.

Auch für fast alle AktionärInnen, die sich in der mehrstündigen Diskussion zu Wort meldeten, stand der Ausstieg im Zentrum von Hoffnungen und – zumeist – Befürchtungen. „Wo soll denn der Strom herkommen, wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet werden?“, begehrten mehrere zu wissen. „Kein Problem“, antwortete eine Vertreterin der atomkritischen Aktionärsgemeinschaft „AIDA“: Die HEW sollten umgehend zu einem „Dienstleis-ter für erneuerbare Energien“ werden und die Atomreaktoren durch wirtschaftliche Gas- und Dampfturbinenkraftwerke ersetzen. Was ihr den Vorwurf einbrachte, „keine Ahnung zu haben“. Im Gegenteil müsse der Vorstand „endlich mal offensiv“ werden, forderten zwei Aktionäre, und „mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit für die Kernenergie den Wert der Aktien und künftiger Dividenden erhöhen“.

Die HEW haben derzeit mit 27 Prozent die höchste Rendite aller deutschen Stromversorger.

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