piwik no script img

ejectARNO FRANK über Gerhard Delling und Günter Netzer

Wenn Männer zu sehr lieben

Wo Menschen wie der bayrische Sportreporter Waldemar Hartmann ihr Unwesen treiben, sind Menschen wie Dieter Kürten das geringere Übel. Das allergeringste Übel bekam 1999 sogar den renommierten Grimme-Preis, das Tandem Gerhard Delling und Günter Netzer. Journalist der eine, Geschäftsmann der andere – verschnupfte Kritikaster alle beide.

„Das Duo“, hieß es damals in der Laudatio, „ist mittlerweile nicht etwa kumpelhaft verbrüdert, sondern bleibt in schöner Distanz beim ‚Sie‘.“ Dieses wunderschöne ‚Sie‘ hatten Delling und Netzer auch diesmal im Programm, als es das dilettantische Scheitern der deutschen Nationalkicker mit fachmännischen Sentenzen zu begleiten galt. Und die waren diesmal, analog zur Leistung der Mannschaft, reichlich gereizt. „Delling liefert mit verschmitztem Vergnügen die Vorlagen, Netzer kontert mit ernster Miene und hält mit seiner Meinung nicht hinterm Berg“, lobte einst Roger Willemsen die beiden Kommentatoren. Und: „Es ist deshalb eine höchst erfreuliche Aussicht, dass auch die Fußball-Europameisterschaft 2000 von Gerhard Delling und Günter Netzer kopräsentiert wird.“

Das ging dann so: „Sie waren ja auch mal linker Mittelstürmer“, lieferte Delling genüsslich die Vorlage. „Ich weiß, was Sie damit andeuten wollen“, giftete mit ernster Miene Netzer: „Dass nämlich der linke Mittelstürmer immer der letzte Idiot ist!“

In diesem Ton ging’s heiter weiter, hart am Mann und immer ein bisschen am Trikot gezogen: „Wie kann man denn einen solchen Ball neben das Tor hauen?“, will Delling wissen. Netzer weiß: „Das ist mir in meiner aktiven Zeit auch passiert. Ich bin ja, im Gegensatz zu anderen, ein selbstkritischer Mensch, der Fehler erst mal bei sich selbst sucht.“ Dabei blitzt er seinen Kontrahenten an, als wolle er sagen: „Kapiert, du Kasper?“ Und der entgeisterte Delling zeigte die sportlichste Haltung des ganzen Turniers, als er abwiegelte: „So kann’s gehen, liebe Zuschauer, wenn zwei dasselbe sagen und sich trotzdem nicht verstehen.“

Derselben harten Gangart befleißigte sich Netzer auch in der flankierenden Werbung für Vermögensberatung, wo er einen unwissenden Taxifahrer anblafft: „Grüner wird’s nicht!“

Vielleicht stimmt ja, was Andreas Möller über seinen „Hauptkritiker“ Günter Netzer sagte: „So ein Mann hat keine positive Ausstrahlung. Er ist zu negativ, und das Negative wird in Deutschland zu sehr geliebt.“

Wie auch der Fußball. Nicht aber der negative, vulgo schechte Fußball. Halt! Für „philosophische Hintergründe aus der Welt des Fußballs“ ist schließlich Günter Netzer zuständig. Und der verdichtete kongenial und Grimme-Preis-verdächtig die mediale Abbildung der Wirklichkeit „Fußball“ zur schlechten Laune, wie sie nur ein waschechter Misanthrop auszustrahlen vermag. „Und damit Sie jetzt gar nicht erst was sagen können“, sagte Delling, „schalten wir gleich rüber ins Stadion.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen