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Der Welt-Moralist

Heute besucht der britische Premier Tony Blair den Star-Theologen Hans Küng. Dessen Projekt eines „Weltethos“ verbindet Staatsmann und Priester

Der Alte Fritz ließ sich von Voltaire in Sanssouci besuchen, Exkanzler Helmut Kohl pilgerte aufs Dorf zu Ernst Jünger – und den britischen Premier Tony Blair zieht es ins Schwäbische. Dort, in Tübingen, wird der Medienstar unter den europäischen Politikern den Rat eines weisen Mannes suchen: die Erkenntnisse des Theologen und katholischen Priesters Hans Küng.

Der seit 1996 emeritierte Universitätsprofessor und bekannte Kirchenkritiker wird heute die Einführung zu einem Vortrag sprechen, den Blair zum Thema „Politik und Ethik“ halten wird. Dabei wird es auch um das politische Konzept des „Dritten Weges“ gehen – eine Idee, die nicht ganz neu ist, aber unter dem „New Labour“-Fürsten Blair eine Renaissance erlebt hat. Sie kreist um die Grundfrage: Wie lassen sich ein globalisierter Kapitalismus und soziale Verantwortung miteinander verbinden?

Dass den Tübinger Gelehrten nun Weltpolitik umweht, liegt an seinem Projekt „Weltethos“. Eine zentrale Überlegung dieses Projekts besteht darin, dass es keinen Frieden auf der Welt geben kann ohne gemeinsame Grundprinzipien und die Zusammenarbeit der Religionen. Küng ist der Mentor dieses Gedankens – er hat eine Stiftung ins Leben gerufen, die dafür wirbt.

Das ist der Anknüpfungspunkt zu Blair, dessen Visionen eines Kapitalismus mit menschlichem Antlitz deutlich auch eine persönlich-religiöse Basis haben. Im vergangenen Jahr haben sich Blair und Küng erstmals getroffen – Küngs Klassiker „Christ sein“ soll der charismatische Premier schon in den 70er-Jahren gelesen haben. Hinzu kommt, dass das „Weltethos“ derzeit im Vereinigten Königreich en vogue ist – so gibt es in Birmingham einen Lehrstuhl zu „Global Ethics“, an der Uni Leicester ist die Gründung einer Stiftung geplant.

Blair schmückt sich also mit Küng – doch benutzen lassen wird der sich von dem Briten nicht. Dazu ist Küng zu unabhängig, wie er stets bewiesen hat: Der gebürtige Schweizer gehört zu den besten Theologen seiner Zeit. Er hat das Zweite Vatikanische Konzil mitgeprägt, seine theologischen Bücher waren Bestseller. Doch er war dem Vatikan stets zu progressiv – die Kurie verbot 1967 sein Reformwerk „Die Kirche“. Ein ewiger Streit mit Rom endet 1979 damit, dass Johannes Paul II. ihm die kirchliche Lehrbefugnis entzog.

Wenn Küng jetzt, wie auch beim jüngsten Katholikentag, wieder an Einfluss gewinnt, ist das erfreulich für diesen brillanten Mann und seine guten Gedanken. Er hat der Politik viel zu sagen – Blair hat das mal wieder als einer der ersten großen Politiker kapiert. PHILIPP GESSLER

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