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Wo ist das Feindbild Islam?

Vor einem Jahr verweigerte die Bundesregierung noch den Dialog mit Islamisten, nun eröffnete Wolfgang Thierse (SPD) eine Tagung des umstrittenen Islamrats

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung hat ihren harten Kurs gegenüber islamistischen Gruppen – allen voran Milli Görüs, der Auslandsorganisation des türkischen Islamistenführers Necmettin Erbakan – revidiert. Noch vor einem Jahr stellte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) klar: „Mit diesen Organisationen werden wir keinen Dialog führen.“ Gestern hielt der zweithöchste Repräsentant der Republik, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), in Berlin die Eröffnungsrede zu der Tagung „Islam und der Westen – Dialog und Verständigung der Zivilisationen und Kulturen“. Veranstaltet wurde das Treffen von ISESCO, der in Marokko ansässigen „Islamischen Organisation für Bildung und Kultur“ und von dem von Milli Görüs dominierten Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland.

Thierse äußerte sich besorgt über das noch immer erschreckende Ausmaß an Gleichgültigkeit, Unverständnis, Ablehnung und Aggression im Zusammenleben mit den rund drei Millionen Muslimen in Deutschland. Auf beiden Seiten fehle es an Wissen über fremde Lebensweise und Mentalität. Er forderte die Bildungseinrichtungen auf, den Blick häufiger über den europäischen Tellerrand zu öffnen.

Wie Azzedine Laraki, Generalsekretär der Organisation Islamischer Staaten (OIC), beklagten vor allem Redner aus arabischen Ländern die Folgen von Samuel Huntingtons These vom „Kampf der Kulturen“. Huntington hätte für den Westen das Feindbild Kommunismus durch das Feindbild Islam ersetzt und das Verhältnis nachhaltig belastet, so der Vorwurf. Eine Behauptung, die seit Jahren durch die Diskussion geistert. Sie wird vor allem auch von Vertretern des Islamrats gerne bemüht, wenn sie bei den deutschen Gesprächspartnern mehr Verständnis für ihre Anliegen erwirken wollen.

Belege, dass der Westen tatsächlich ein Feindbild Islam pflegt, konnten auf der Tagung allerdings nicht geliefert werden. So verwies Lord Ahmed, Mitglied des britischen Oberhauses, darauf, dass es in Großbritannien zwar eine Phobie gegenüber Muslimen, aber keine institutionalisierte Form der Diskriminierung gebe. Auch Thierse distanzierte sich von Huntington und verwies auf dessen schädliche Wirkung. Und der ägyptische Professor Mahmoud Zakzouk informierte die Tagungsteilnehmer aus den arabischen Ländern, dass die Probleme bei der Anerkennung des Islam in Deutschland nicht einer Islamfeindlichkeit geschuldet seien, sondern der Uneinigkeit unter den Dachverbänden.

Trotz der hochkarätigen Besetzung des Podiums war die Tagung mit rund 80 Zuhörern, darunter kaum deutsche Nichtmuslime, schlecht besucht. Viele der geladenen Gästen aus den im Bundestag vertretenen Parteien blieben ihr demonstrativ fern. Ein Grund dafür war sicherlich, dass neben renommierten und dialogoffenen Vertretern aus der islamischen Welt auch islamistische Scharfmacher als Redner eingeladen waren, zum Beispiel Ahmet M. Sharif aus Libyen.

Trotz mäßigem Publikumserfolg – der Islamrat hat sein Ziel erreicht: Durch den Auftritt Wolfgang Thierses wurde der umstrittene Dachverband geadelt und ist seinem Ziel, als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt zu werden, näher gekommen. EBERHARD SEIDEL

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