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Die globale Macht der Provinz

Das private Südwest-Regionalfernsehen B.TV sendet ab heute auch über Satellit. Senderchef Bernd Schumacher will so den ARD-„Dritten“ Konkurrenz machen. Und der Polizeibericht aus Karlsruhe ist plötzlich in ganz Europa zu empfangen

von WOLFGANG MESSNER

Lokale TV-Stationen oder Ballungsraumsender sind für eine Region zuständig – eine Großstadt etwa oder einen Landesteil. Sollte man meinen. Doch nun heißt’s umdenken, denn heute geht der Ballungsraumsender B.TV Baden-Württemberg via Satellit auf Sendung. Dank Astra bestrahlt die kleine Station jetzt nicht nur das Musterländle, sondern fast 30 Millionen Europäer.

Immerhin 40 Prozent der deutschen Haushalte sind mit ihrer Schüssel in der Lage, sich das beschauliche Regionalfernsehen aus Karlsruhe auf die heimische Mattscheibe zu holen. Noch 1995, als der umtriebige Medienmann Bernd Schumacher das damalige Ballungsraum-TV (B.TV) Baden gründete, bekringelten sich die Medienschaffenden über die Idee, regionales Fernsehen ausgerechnet für den eher ländlichen Raum zwischen Pforzheim, Karlsruhe und Offenburg zu machen. Zumal der B.TV-Chef und Miteigentümer Schumacher seine hochfliegenden Pläne nur mit der Hilfe einiger mittelständischer Gesellschafter (unter anderem dem Münchner Merkur, einer Karlsruher Brauerei und dem Klett-Verlag), nicht aber mit den großen Medienkonzernen wir Kirch oder Bertelsmann auf die Beine stellen wollte. Dazu veranschlagte er auch noch einen lächerlich geringen Jahresetat von gerade einmal 10 Millionen Mark. – Das Projekt, so die einhellige Branchenmeinung, war zum Scheitern verurteilt.

Schumacher aber, der seine Karriere als Radiomann in Hessen und beim Südwest-Flagschiff SWF 3 gestartet und es nach Zwischenstopps beim ZDF und der Gründungsmannschaft von RTL schließlich bis zum Sat.1-Moderator gebracht hatte, wusste, was er tat: Aus dem Verkauf eines lukrativen Mini-Anteils am späteren Mannheimer Privatsender Radio Regenbogen hatte er genügend Startkapital für sein TV-Abenteur. Und in Amerika hatte er gelernt, wie billig Fernsehen sein kann: Keine Trennung zwischen Redaktion und Technik, der Reporter ist sein eigener Kameramann, Regisseur und Moderator. Das spart Geld. Und geht häufig auf Kosten der Qualität. So war es auch im Fall von B.TV: Lange hatte der Sender außer lahmen Regionalnachrichten kaum Inhalte. Dafür gab das vom jungen, fix angelernten Personal gemachte Programm des öfteren Anlass zur unfreiwilligen Komik – etwa wenn die Moderatoren mit heiligem Ernst in Ulrich-Wickert-Manier die Karlsruher Polizeimeldungen unredigiert verlasen oder wenn Handballspiele aus der nordbadischen Verbandsliga wie nationale Großereignisse kommentiert wurden.

Studio für 25 Millionen

Die Karlsruher Polizeimeldungen verlesen sie bei B.TV immer noch, alles in allem ist der Sender aber deutlich professioneller und größer geworden. Schon jetzt bedient B.TV aus dem 25 Millionen Mark teuren Studio in Ludwigsburg auch große Teile Württembergs.

Die benötigte zusätzliche Lizenz verdankte Schumacher seinen hervorragenden Kontakten zur baden-württembergischen Staatskanzlei – und ganz persönlich zu Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU). Als Gegenleistung bittet Schumacher „unseren Ministerpräsidenten“ dafür jeden Monat zum TV-Plausch und mutiert höchstselbst zum schmeichlerischen Stichwortgeber. So erfährt der Zuschauer viel über die Sorgen und Nöte des „Landesvaters“ im harten Politikgeschäft und darf auch an manchen Lebensweisheiten des großen Spaichingers teilhaben. Zum 60. Geburtstag Teufels richtete der Sender gar eine eigene Show aus, die dem Jubilar selbst fast peinlich war. Und weil so ein wohlfeiles Regierungsfernsehen gepflegt sein will, sind sich Insider sicher, dass Teufel und sein Staatsminister Christoph Palmer auch bei der Satellitenlizenz nachgeholfen haben.

Von heute an will B.TV die noch fehlenden weißen Flecken im Land – Südbaden, Südwürttemberg und den Rhein-Neckar-Raum – abdecken, um so dem öffentlich-rechtlichen Südwestrundfunk (SWR) Paroli bieten zu können. Schumacher verkauft den Sender als „das erste private Dritte“, Ziel sei, mit ähnlich guten Einschaltquoten wie West 3 oder das MDR-Fernsehen bundesweit auf sich aufmerksam zu machen.

Programm gesucht

Doch um das zu erreichen, braucht B.TV mehr attraktives Programm. Für das bisherige, terrestrisch und über Kabel potenziell von 3,8 Millionen Menschen empfangbare Einerlei lieferte bislang der Münchner Mediengroßhändler Leo Kirch die Highlights in Form von abgenudelten Serien („Ein Bayer auf Rügen“) und einigen Spielfilmen.

Beobachter spekulieren, dass sich Kirch, dem fast alle anderen deutschen Ballungsraumsender ganz oder teilweise gehören, auch B.TV einverleiben will. Vermarktet werden alle großen Regionalstationen inklusive B.TV sowieso längst über Kirchs Werbezeitenverkaufsfirma Media 1. Doch Schumacher sichert sich ab: Ende Juni hat er einen Kirch-Konkurrenten an Bord geholt. Jetzt liefert auch die Kinowelt Medien AG Serien und Spielfilme, hat außerdem zehn Prozent der B.TV-Anteile übernommen und darf ab sofort mitbezahlen: Allein die Satelliten-Miete beträgt 14 Millionen Mark im Jahr.

Spekulationen, dass Kinowelt damit nun endlich den lange ersehnten Abspielkanal für seine rund 10.000 Spielfilme bekommen hat und die für 2001 angekündigte Gründung eines eigenen TV-Senders zu den Akten legt, weist das Unternehmens zwar als übertrieben zurück: Man sei nicht auf B.TV angewiesen und halte schließlich in Kanada Anteile an acht Fernsehkanälen. Doch Kinowelt („Magnolia“, „Der englische Patient“) drückt ein ganz anderer Schuh: Bisher hat die AG noch nicht einen der Filme, die sie im vergangenen Jahr im Paket und nach Branchenmeinung viel zu teuer für 560 Millionen Mark vom US-Studio Warner erworben hat, bei deutschen Sendern unterbringen können. Damit man wenigstens zeigen kann, was man so in petto hat, wäre ein wenig Schaulaufen – sogar im beschaulichen B.TV – also nicht schlecht.

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