piwik no script img

Die Baggerrrr rrrrrrrrollen

■ St. Pauli will sein Stadion neu bauen, fängt aber erst einmal bei der maroden Haupttribüne an

Baggerrollen, Baggerrollen, Baggerrollen, man hört förmlich schon die schnarrenden Metall-Dinosaurier durch Sankt Pauli rattern, um das Millerntor-Stadion in Schutt zu legen. Schon seit Jahren. Und nun hat sich der FC St. Pauli schon wieder etwas Neues ausgedacht: Anstatt die ganze marode Arena auf einmal abzureißen, soll zunächst einmal nur die Haupttribüne erneuert werden.

Deren Zustand ist ohnehin miserabel. Lange genug wurden die Fans nicht nur mit schwachen Spielen, sondern auch mit unbequemen Stühlen gequält. Darum lassen sich die Plätze dort nicht guten Gewissens als Business Seats vermarkten. So ist es wirtschaftlich wohl sinnvoll, die Plastikschalen und den baufälligen Unterbau so schnell wie möglich zu ersetzen. Außerdem lassen sich dann auch sofort die geplanten 30 Logen mit 300 Plätzen einbauen und für teures Geld verkaufen. Ganz dem Vermarktungskonzept des Vereins entsprechend, sollen die Aquarien als Separées deklariert und damit das Kiez- und Starclub-Image unterstützt werden.

Insider munkeln aber auch, dass die Möglichkeit das Bauprojekt erst einmal mit einem Stadionteil zu starten, besser sei, als das Millerntor-Stadion komplett abzureißen und in den Volkspark umzuziehen. Schließlich ließe sich dieser Anbau leichter finanzieren, und der Spielbetrieb könnte weiterhin aufrecht erhalten werden. Damit spart der FC St. Pauli geschätzte 2 Millionen Mark, die an Miete an den HSV gehen würden – und das bei gerade einmal 3,5 Millionen Mark Einnahmen über die Zuschauer.

Die Finanzierung des Gesamtprojekts ist bei Weitem noch nicht gesichert, denn am Millerntor muss man – zumindest derzeit – ohne Unterstützung der öffentlichen Hand auskommen. Damit wäre der Bau auf dem Heiliggeistfeld das einzige Stadion in Deutschland, das ohne kommunale oder staatliche Zuschüsse finanziert werden soll. Was wiederum die Verhandlungen mit den Banken erschwert: Die Kreditwirtschaft gibt erst dann Geld, wenn die Bonität für die Finanzierung gesichert ist. Und eine Finanzierung über einen Risikokapitalgeber wäre erst recht illusorisch. Dessen Anspruch auf eine Risikoprämie wäre für den FC St. Pauli der endgültige Schritt in den Ruin.

Die Mopo zitiert Präsident Heinz Weisener mit den Worten: „Im Oktober endet meine Amtszeit, und der Baubeginn des Stadions gehört einfach noch in meine Zeit als Präsident dieses Vereins.“ Gut gebrüllt, Löwe. Auf der anderen Seite ist der Teilausbau noch nicht beschlossene Sache. Es gibt Überlegungen in diese Richtung, entschieden ist noch nichts. Logischer bleibt auch weiterhin der Komplettneubau am Millerntor.

Wie die Verantwortlichen auch immer entscheiden werden, eins ist quasi sicher: Die Bagger werden rollen. Und rollen. Und rollen.

Eberhard Spohd

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen