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„Extrem konservativ“

Dietmar Hübner von der Beratungsstelle pro-police: Polizei ist überduchschnittlich von Rechtslastigkeit betroffen. Schulung der Beamten allein reicht nicht aus

 taz: Hat die Berliner Polizei ein Problem mit Rechtsextremismus in den eigenen Reihen?

Dietmar Hübner: Mit Rechtsextremismus würde ich nicht sagen. Aber wir haben ein Problem mit sehr konservativen Einstellungen, teilweise mit extremen Tendenzen.

Können Sie dafür Bespiele nennen?

Die bekannten Einzelfälle sind bereits durch die Presse gegangen. Was mir im Dienst häufig auffällt, sind die unter der Schwelle der Strafbarkeit liegenden Alltäglichkeiten. Das ist der Boden, auf dem die extremen Auswüchse gedeihen.

Wie äußert sich das im Polizeialltag?

Die Polizisten sind draußen auf der Straße häufig mit sehr komplexen Situationen konfrontiert, die sie durch den Job nicht in ihrer ganzen Breite analysieren können. Sie neigen häufig dazu, sich einfache Erklärungsmuster zu schaffen.

Was heißt „komplexe Situationen“ genau?

Nehmen wir zum Bespiel Polizeieinsätze auf dem Breitscheidplatz, der zum gefährlichen Ort erklärt worden ist. Dort wird mit Betäubungsmitteln gehandelt, vorwiegend durch ausländische Mitbürger oder zumindest Bürger ausländischer Herkunft. Mit diesen Leuten haben die Polizisten dort ständig zu tun.

Dass die Leute zum Teil große wirtschaftliche und soziale Probleme haben und nicht integriert sind, vermag der einzelne Polizist bei seinem Einschreiten nicht zu reflektieren.

Stattdessen entwickelt er häufig ein Feinbild nach dem Motto „Es sind mal wieder die Ausländer, die hier Probleme machen“. Diese Erfahrung macht er tagtäglich, weil er dort immer wieder auf dieselben Leute trifft. Dieses Feindbild hilft ihm, mit dieser Realität klarzukommen, denn auf diese Weise hat er ein klares Gegenüber.

Es heißt immer, die Polizei sei das Spiegelbild der Gesellschaft. Stimmt das auch in puncto Rechtslastigkeit?

Ich glaube, Polizisten haben mehr damit zu kämpfen als andere Teile der Bevölkerung, weil sie mehr mit den negativen Auswirkungen unserer mulitkulturellen Gesellschaft zu tun haben. Insofern ist die Polizei mehr betroffen und muss dem stärker entgegenwirken.

Was für eine Rolle spielt bei dieser Frage das Alter?

Dass der Altersdurchschnitt in den Dienststellen und damit auch die Erfahrung und Gelassenheit in gewissen Bereichen in den vergangenen Jahren gesunken sind, spielt auf jeden Fall eine Rolle.

In der Polizei spiegelt sich natürlich auch wider, dass Menschen, die im Ostteil Deutschlands sozialisiert worden sind, zum Teil eine extreme Haltung gegenüber Ausländern haben.

Wie könnte man das Weltbild der Polizei erweitern?

Wenn ein Vorfall bekannt geworden ist, sind ja immer Schulungen das probateste Mittel. Die sind in den vergangenen 20 Jahren schon öfters gemacht worden. Auch an der Landespolizeischule gibt es ein interkulturelles Training und Ähnliches.

Diese Maßnahmen sind okay, sie reichen aber nicht aus, zumal sie in kein gemeinsames Ziel münden. Um das zu verändern, müsste die Polizeiführung aber deutlich machen, dass es in dieser Hinsicht ein Problem bei der Polizei gibt.

Interview: PLUTONIA PLARRE

Dietmar Hübner ist Vorsitzender von „pro-police“, einer Beratungsstelle für Polizisten. Er war früher bei der Sozialbetreuung der Polizei tätig und ist jetzt beim Lagedienst der Direktion 2.

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