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Totmacher aus Überzeugung

In einem bemerkenswert schnellen Verfahren verhandelt das Oberlandesgericht Dessau den Mord an Alberto Adriano. Drei jugendliche Glatzköpfe prügelten ihn zu Tode. Seinen Tod bedauern sie nicht. Das Urteil wird nächste Woche erwartet

aus Halle ANNETTE ROGALLA

Die Scheinwerfer sind ausgerichtet, die Kameras in Position gebracht. Im Saal des Oberlandesgerichts von Halle beginnt der Prozess. Angelika Adriano sitzt den Mördern ihres Mannes gegenüber. „Wenigstens einmal will ich ihnen in die Augen schauen“, sagt sie. Ob sie alle vier Prozesstage durchstehen wird, weiß sie nicht.

Die jungen Fremdenfeinde haben darauf verzichtet, sich für den Gerichtstermin als harmlose Jugendliche zu verkleiden. Drei Skins. Eine Glatze, zwei Stoppelköpfe. Der Älteste von ihnen, Enrico H., 24, sitzt im orangefarbenen „Authentic Spirit“-T-Shirt auf der Anklagebank. Frank M., 16, hat sich während der Untersuchungshaft ein dunkles Rechteck auf der Oberlippe wachsen lassen. Er steckt in einem Lonsdale-Shirt, in der Szene beliebt wegen der Kombination des dritten und vierten Buchstabens. Der schmächtige Christian R., 16, hält den Kopf gesenkt.

Die drei haben am frühen Morgen des Pfingstsonntags Alberto Adriano, 39, im Park von Dessau ins Koma getreten. Im Krankenhaus diagnostizieren die Ärzte einen Schädelbruch, einen Trümmerbruch der Nase, vor allem aber schwere Blutungen im Hirn, die auch durch Operationen nicht gestoppt werden können. Drei Tage später, am 14. Juni um 8 Uhr 45, ist Alberto Adriano tot. Generalbundesanwalt Joachim Lampe klagt Enrico H., Frank M. und Christian R. an, „aus niedrigen Beweggründen einen Menschen getötet zu haben“. Die Angesprochenen starren während der Anklageverlesung vor sich hin. Sie wissen, was kommt, haben nichts abgestritten bei den Vernehmungen.

Am 11. Juni, gegen Viertel vor zwei kam ihnen im Stadtpark von Dessau Alberto Adriano entgegen. „Was willst du in Deutschland?“, pöbeln sie ihn an. „Schwarze raus.“ Adriano antwortet, er lebe seit Jahren in Deutschland, sei verheiratet, habe drei Kinder und arbeite in Dessau. Aber da haben sie ihn schon gepackt. Einer hält fest, die beiden anderen schlagen zu. Adriano geht zu Boden. Sie treten ihm gegen den Kopf, in den Bauch, ins Gesicht. Enrico H. trägt 14-Loch-Springerstiefel. Mindestens zehnmal soll er zugetreten haben. „Bei dieser Gewaltanwendung rechneten die Angeschuldigten damit, dass Adriano zu Tode kommen könnte“, sagt Generalbundesanwalt Joachim Lampe. „Aus ihrem Ausländerhass war ihnen das gleichgültig, und sie nahmen es billigend in Kauf.“

Nach etwa fünf Minuten rührt sich der kräftige Alberto Adriano nicht mehr. Aber sie lassen nicht von ihm ab. Enrico H., Frank M. und Christian R. sind geil auf Gewalt. Sie ziehen Alberto Adriano das Oberhemd aus und hängen es an einer Astgabel auf. Sie reißen ihm die Hose vom Leib, die Unterhose werfen sie in einen Strauch. Aus seinem Portemonnaie klauen sie 50 Mark. Dabei rufen sie: „Du Negerschwein, scher dich aus unserem Land.“ Alberto Adriano hört sie nicht mehr. „Der ist doch schon tot“ ruft einer der Angreifer. Trotzdem schleppen sie ihn zu dritt auf den Rasen und schlagen weiter auf ihn ein. Erst als eine Polizeistreife, die ein Autofahrer über Handy informiert hat, neben ihnen stoppt, hören sie auf.

Alberto Adriano ist einer von über 100 Menschen, die seit der Wende in Deutschland von Rechtsextremisten getötet wurden. Totgetreten von drei jungen Männern, die sich als nationale Aktivisten begreifen. Ihre Motive für die Tat tragen sie alleine dem Gericht vor. Die Öffentlichkeit wurde gestern vom Prozess ausgeschlossen, nachdem die Anklageschrift verlesen war. Albrecht Henning, vorsitzender Richter des Ersten Strafsenats beim Oberlandesgericht, begründete den Ausschluss mit dem besonderen Schutz der beiden Minderjährigen. „Sie sollen unbefangen der Verhandlung folgen können“, sagte er. Ein Gegenantrag der Nebenklage wurde abgelehnt. Das Gericht will „zügig und schnell und absolut rechtsstaatlich verhandeln“. Spätestens am Freitag sollen die Plädoyers gehalten werden. Kommende Woche will der Senat das Urteil verkünden, öffentlich.

Die Schnelligkeit, mit der das Verfahren eröffnet wurde, ist bemerkenswert. Knapp elf Wochen nach der Tat stehen die Angeklagten vor Gericht. Das sei nicht außergewöhnlich, weil der Generalbundesanwalt die Anklage vertrete, begründet dies der Justizpressesprecher. Normalerweise verhandle das Oberlandesgericht nicht als erste Instanz.

Am ersten Tag zeigten sich Enrico H., Christian R. und Frank M. gesprächig. Sie leugneten keinen Anklagepunkt. Die jungen Männer aus Wolfen und Liebenwerda haben eine deutliche Sprache gesprochen. Bereut haben sie nichts. Sie haben den Tod von Alberto Adriano nicht bedauert.

Die Witwe Angelika Adriano hat es nicht geschafft, allen dreien zuzuhören. Nach der Aussage von Enrico H. bittet sie, aus dem Saal gehen zu dürfen. „Ich kann mir das nicht länger antun“, sagt sie. Enrico H. muss mit einer lebenslangen Strafe rechnen, seine beiden minderjährigen Mittäter können bis zu zehn Jahren erwarten.

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